Mindestens 58 Menschen, darunter Frauen und Kinder, starben Sonntagfrüh bei einem Bootsunglück in Süditalien. Das hölzerne Segelboot stach vor Tagen vom türkischen Izmir aus in See, umschiffte Griechenland und wollte die rund 150 Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan, Iran und Somalia in Kalabrien in die EU bringen. Doch das Segelschiff war der stürmischen See nicht gewachsen und brach in zwei Teile.

Walter Hämmerle. 
- © Luiza Puiu

Walter Hämmerle.

- © Luiza Puiu

Es sind Horrormeldungen wie diese, die seit zehn Jahren in erschreckender Regelmäßigkeit für Schlagzeilen sorgen. Zur Routine sind dabei auch die politischen Stellungnahmen geworden. Gemeinsam ist diesen die Hilflosigkeit, mit der die Staaten wie die Europäische Union dem Blutzoll der Schlepper-Mafia gegenüberstehen. Mehr als dass die politischen Verantwortlichen dieser organisierten Kriminalität den Kampf ansagen, geschieht selten.

Italien ist wegen seiner geografischen Lage, die einen einfachen Weg in die reichen Staaten des europäischen Nordens verspricht, eines der Hauptziele irregulärer Migration über das zentrale Mittelmeer (von daher wählte das Boot aus dem osttürkischen Izmir eine ungewöhnliche Route). Dieser Weg zählt auch zu den weltweit gefährlichsten. Und am allergefährlichsten ist es, wenn die Reise mit untauglichen Booten zu untauglichen Jahreszeiten unternommen wird. Rund 17.000 Tote hat die UNO seit 2014 registriert, allein heuer sind es erneut 220.

Dieser Blutzoll ist unerträglich. Genauso frustriert die Tatsache, dass es keine einfachen Lösungen gibt, die daran schnell und einfach etwas ändern könnten. Für eine liberale Migrations- und Asylpolitik gibt es im Westen keine politischen Mehrheiten, schon gar nicht in den USA, Kanada oder Australien und auch nicht in den Mitgliedstaaten der EU (und die wenigen Politiker, die einer solchen das Wort reden, wissen, dass ihre Staaten nicht den Löwenanteil der Folgen tragen müssen).

Der Kampf gegen die Schlepper, die ein enorm großer und enorm einträglicher Zweig der organisierten Kriminalität geworden ist, lässt sich leicht beschwören, aber nur schwer wirksam umsetzen. Dazu braucht es die Kooperation der Staaten, von denen aus die Schlepper in See stechen. Dazu fehlt es in Nordafrika oft entweder an den Möglichkeiten oder am politischen Willen, wenn es sich denn überhaupt um intakte Staaten handelt – Libyen etwa ist in den Händen rivalisierender Clans ohne effektive Regierung.

Auch die diversen EU-Projekte zur Eindämmung der Schlepper sind auf die Kooperation dieser Staaten angewiesen – und anschließend auf jene der Herkunftsstaaten der Flüchtlinge, wenn sie nicht vom Transitland aufgenommen werden. Für ein illegales Business mit Milliarden-Umsätzen finden sich jedoch immer Möglichkeiten, je schwächer die staatlichen Institutionen, desto mehr.

In dieser Gemengelage von Ohnmacht und Abhängigkeiten verbunden mit komplizierten politischen Motivlagen geraten gerne die privaten Seenotretter ins Visier. Für manche, vor allem auf der Rechten, sind diese NGO weniger Teil einer Lösung als vielmehr Teil des Problems. Ihre Präsenz verführe Schlepper wie Flüchtlinge, ein eigentlich untragbares Risiko für das eigene Leben einzugehen, lautet der Vorwurf. Ob das stimmt, lässt sich nicht mit Sicherheit belegen. Italien plant, deren Handlungsrahmen zu beschränken.

An der Pflicht zur Lebensrettung darf es kein Rütteln geben. Staaten können diese nicht an Private delegieren. Von daher spricht einiges dafür, diese auch staatlich und mit EU-Hilfe zu organisieren. Dazu bedarf es Information über das tatsächliche Risiko einer Überfahr für das Leben der Menschen, denen die Schlepper viel Geld abnehmen. Auf jeden Fall wird es mehr kollektives Engagement benötigen. Aber auch dann werden die Schlepper andere Wege suchen und finden, um ihr einträgliches Geschäft am Laufe zu halten, zumal die Nachfrage nach einer Flucht gen Norden weiter steigen dürfte. Der Traum von einer Festung Europa stößt in der Praxis auf ähnlich große Hürden und Widersprüche.

Das zählt zum Schlimmsten unserer Zeit: Umstände, die verlässlich für Tragödien sorgen und die durch die Widersprüchlichkeit der Ziele und Motive aller Beteiligten am Laufen gehalten werden. Schlag nach beim Kampf gegen die Drogen-Mafia.