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Das RBI-Russland-Dilemma

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Das Russland-Geschäft bereitet Raiffeisen Ungemach.


"In Russland trennt sich die Spreu vom Weizen", sagte einst der damalige Chef der Raiffeisen Bank International (RBI), Herbert Stepic. Die RBI ist seit 1990 in Russland aktiv, ihre russische Tochter ist mit 9.500 Mitarbeitern, 3,2 Millionen Kunden und 130 Filialen die zehntgrößte Bank im Land. Für die RBI haben sich die Geschäfte in dort zuletzt ausgezahlt: Im Geschäftsjahr 2022 hat die Bank einen Rekordgewinn von 3,6 Milliarden Euro erzielt, etwas mehr als 2 Milliarden Euro davon stammten aus dem Russland-Geschäft.

Seit der Annexion der Krim und von Teilen des Donbas im Jahr 2014 - jedoch allerspätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 - musste man sich in der RBI am Wiener Stadtpark überlegt haben, wie es mit dem Russland-Business weitergehen soll.

Für Vorstandschef Johann Strobl keine leichte Entscheidung: Soll man die Reißleine ziehen und das hochprofitable Investment in Russland verkaufen, wie das die französische Bank Société Générale im April 2022 getan hat? Oder soll man das Geschäftsvolumen reduzieren, so wie die italienische UniCredit? Oder macht man einfach weiter, als hätte es Russlands Überfall auf die Ukraine nie gegeben?

Sicher ist: Das Russland-Geschäft bereitet der RBI immer mehr Ungemach. In der Ukraine wurde eine russische Leasing-Tochter der RBI auf die Sanktionsliste gesetzt, genauso wie Sergei Monin, Chef der RBI-Russland-Tochter. Zuvor hatte die Ukraine bereits nahezu den gesamten Wiener RBI-Vorstand für Sanktionen vorgemerkt. Dass die US-Sanktionsbehörde OFAC in Sachen RBI und Russland Erkundigungen einzieht, hat die Märkte aufgeschreckt - ebenso die Tatsache, dass die RBI zuletzt wieder ins Gerede gekommen ist, nachdem der "Falter" aufgedeckt hat, dass sie sich die Reste der staatlichen Sberbank in Europa einverleiben will.

Die RBI ist zuletzt bei Investoren immer mehr unter Druck gekommen. Am Freitag berichtete der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg, dass die Raiffeisen Bank International AG keine neuen russischen Firmenkunden mehr zu akzeptieren bereit sei und Fremdwährungsgeschäfte für ihre Kunden in Russland limitiere.

Damit reagiert die RBI reichlich spät auf die zunehmend lauter werdende Kritik. Es wird Zeit, dass am Wiener Stadtpark strategisches Denken über kurzfristige Gewinnorientierung obsiegt: Russland hat seine Position als Handelspartner in Europa auf Jahrzehnte verspielt, während die EU eines Tages den Wiederaufbau in der Ukraine finanzieren wird müssen. Dafür wird man potente Finanzinstitute als Partner benötigen - ob Raiffeisen dann mit dabei sein wird?