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Solange

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Solange Gleichberechtigung eine ewige Baustelle ist, bin ich Feministin.


Ob wir nicht einmal etwas Positives zum Frauentag schreiben könnten, fragt ein Kollege in der Themensitzung. Es sei doch schon so viel passiert, rechtlich und auch gesellschaftlich. Es ist doch alles gar nicht mehr so schlimm wie früher. Jedes Jahr zum Frauentag das gleiche Lamentieren - das wolle doch keiner mehr lesen. Konstruktiver Journalismus und Best Practice, da ließe sich doch etwas finden?!

Leider hatte keine der Frauen in der Runde gute Nachrichten für den Kollegen, es war eher Unverständnis, das ihm entgegenschlug. Ja, es ist lästig, ständig über die fehlende Gleichstellung der Geschlechter zu reden und zu schreiben. Und ja, manchmal fühlt es sich an wie eine sich ewig wiederholende Dauerschleife. Doch in Sachen Frauenpolitik - gerade aktuell - so zu tun, als wäre eh vieles wunderbar, war für keine von uns eine Option.

Der Grund dafür liegt in einem einzigen Wort: Solange. Und in den schier unzähligen Sätzen, die sich daran anschließen.

Solange es eine Frauenpolitik gibt, die sich auf Gewaltschutz beschränkt, ohne zu erkennen, dass Frauenhäuser hier nicht die nachhaltigste Lösung sind, sondern dass dies vielmehr ausgewogene Gehälter und die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen wären; solange es eine Familienpolitik gibt, die über den Familienbonus steuerliche Anreize schafft, die Kinder zuhause zu betreuen; solange Männer nicht selbstverständlich in Elternkarenz gehen, weil frischgebackene Väter mehr verdienen; solange die Debatte über Quoten in Vorstandsetagen nötig ist, weil Unternehmen nicht erkennen, dass gemischt besetzte Teams die besten Entscheidungen treffen; solange Frauen treffsicher in die Fallen von Teilzeit und Altersarmut tappen. Solange.

Die Reihe lässt sich auch international fortsetzen: Solange Medizin auf männliche Patienten zugeschnitten ist; solange im Iran Gas in Mädchenschulen geleitet wird; solange junge Frauen und Mädchen genital verstümmelt werden; solange Frauen als Ware an Ehemänner verschachert werden. Solange gibt es keinen Grund zu feiern; solange gilt es aufzuzeigen, zu beklagen, anzuprangern und zu fordern.

Die in Innsbruck lebende Künstlerin Katharina Cibulka hat aus Solange-Sätzen ein feministisches Projekt mit pink bestickten Netzen geschaffen, die international Baugerüste zieren. "Solange Gleichberechtigung eine ewige Baustelle ist, bin ich Feministin", steht auf einem dieser Netze. "Solange wir Solange-Sätze machen müssen, sind wir Feministinnen", beschreiben Cibulka und ihr Team die Aktionen.

Gute Nachrichten, ja Grund zu feiern wird es erst geben, wenn der 8. März in den Tag der gelungenen Gleichstellung umbenannt und der Frauentag abgeschafft ist.