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Das Problem von gestern

Von Simon Rosner

Leitartikel

In der Politik werden Probleme strategielos und kurzsichtig gelöst.


Die Politik ist eine gut geölte Problemlösungsmaschinerie, und zwar in dem Sinn, dass problemfokussiert gedacht wird und rasch Lösungen präsentiert werden. Doch da in der Politik der Machterhalt eine wichtige, oft überragende Rolle einnimmt, ist die Problemwahrnehmung auf genau das zentriert und führt dazu, nicht das Problem selbst zu lösen, sondern nur dessen negative Auswirkungen auf den Politiker oder die Partei. Einmal reicht ein "Wir kümmern uns", und es wird eine "Taskforce" (vormals Arbeitskreis) eingerichtet, ein anderes Mal müssen Strafen verschärft oder muss mehr Geld ausgegeben werden. Das Ziel ist dabei in beiden Fällen, einen die eigene Macht bedrohenden Schaden abzuwenden.

Nur in seltenen Fällen widmet man sich den Ursachen des Problems, vielmehr muss man schon froh sein, wenn die Politik dessen Auswirkungen auch tatsächlich mildert und es nicht nur bei der Ankündigung einer Lösung bleibt oder die Umsetzung so amateurhaft ist, dass sich nicht einmal die Folgen abschwächen.

Die Abwesenheit von strategischem Denken und Wirken in der Politik spiegelt sich logischerweise in Parteien wider. Die SPÖ hat dafür am Mittwoch ein Anschauungsbeispiel gegeben. Denn die Gremien lösten zwar ein Problem, aber nur jenes der Uneinigkeit. Es ging darum, den momentanen Schaden zu reduzieren, und dafür reichte ein Beschluss, mit dem die Funktionäre jetzt leben können. Der Konflikt selbst wurde nicht gelöst. Es ist nicht gesagt, dass die Einigung überhaupt dafür taugt. Denn was tut die SPÖ, wenn nur wenige Stimmen entscheiden? Was bei zwei, drei weiteren Kandidatinnen und nur einer relativen Mehrheit? Es gibt dafür zwar probate Mittel und Wege, aber diese waren kein Thema. Die Klärung aller Details wurde delegiert, obwohl in ihnen erhebliches Streitpotenzial bei der sich verfestigenden Lagerbildung steckt.

Es ist absurd, dass die eigentlich Basisdemokratie-averse SPÖ in jüngerer Vergangenheit ihre Mitglieder öfter befragt hat als alle anderen Parteien. Schon Christian Kern hatte, als sich ein parteiinterner Streit zum Freihandelsabkommen Ceta andeutete, zu diesem Mittel gegriffen, und Pamela Rendi-Wagner zauberte es urplötzlich nach der vergeigten Wahl 2019 aus dem Hut. Es mag ihr damals geholfen haben, bedingt aber jetzt, dass sie die Begehrlichkeit nach einem erneuten Mitgliedervotum nicht ablehnen konnte.

Es wäre halb so schlimm, wenn in den Schritten zu mehr Teilhabe keine Überzeugung, sondern pragmatisch-strategisches Denken stecken würde. Immerhin! Aber das tut es nicht. Es löst heute das Problem von gestern, lässt aber Ursachen und Folgeprobleme völlig unbeachtet. Doch damit, und das ist eine bittere Erkenntnis, ist die SPÖ nicht alleine. Es ist in Österreichs Politik der Standard.