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Koalition des Unbehagens

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Schwarz-Blau liest sich wie ein regionaler Probedurchlauf für Blau-Schwarz.


Manche Verbindungen, weiß der Volksmund, werden im Himmel geschmiedet. Einige knüpft eher die Berechnung. Und dann gibt es noch jene überraschenden Bündnisse, die es eigentlich nicht geben dürfte. Die frisch geschmiedete Koalition in Niederösterreich zwischen ÖVP und FPÖ fällt in die letzte dieser Kategorien - auch wenn Österreich die jetzt erneut als Tabubruch betitelte Schwarz-Blau-Allianz nicht zum ersten Mal erlebt. Was wundert, da die Erinnerungen an die - elegant gesagt - unerquicklichen Enden dieser Allianzen verblasst zu sein scheinen.

Es waren Niederösterreichs ÖVP-Obfrau Johanna Mikl-Leitner und FPÖ-Landeschef Udo Landbauer selbst, die eine Koalition bis zuletzt ausgeschlossen, sich verbal dazu intensiv aneinander abgearbeitet hatten - eher durch frontale Angriffe denn subtile Untergriffe. "Wenn es einen besonderen Graben gibt, dann zwischen ÖVP und FPÖ" sowie zwischen ihr und Landbauer, erklärte Mikl-Leitner noch Mitte der Woche, aber für Niederösterreich seien sie bereit, diese Gräben zu schließen, auch wenn das "für uns beide eine gewisse Überwindung darstellt". Es sei keine Liebesbeziehung, meinte Mikl-Leitner dann bei der Präsentation, jedoch ein solides Arbeitsübereinkommen. Dass dies eine Koalition des Unbehagens bleibt, zeigt sich an der teils scharfen Kritik daran - auch wenn dies bei den Akteuren gerade frisch durch Arbeitswillen übertüncht wird.

Was diese Koalition des Unbehagens - abgesehen von ihren Inhalten - bedeutet? Ein Scheitern, ja auch nur ein Aufbrechen der Gräben wird diese Landesregierung wie eine unheilvolle Wolke begleiten. Beide Seiten werden - ob der politischen Kompromisse - einen Teil ihrer Wählerschaft vor den Kopf stoßen.

Die Bedeutung für die Bundespolitik liegt auf der Hand: Niederösterreich kann getrost als lokaler Probelauf von Schwarz-Blau mit dem Schielen in Richtung Nationalratswahl 2024 gesehen werden - politisch wie in puncto gesellschaftliche Akzeptanz. Ein verbales Ausschließen dieser Option auf Bundesebene hat dieser Tage massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Allerdings: Im Bund würde eine mögliche Koalition wohl eher Blau-Schwarz heißen.

Vielleicht ist das mutmaßliche Scheitern von Schwarz-Blau in St. Pölten aber auch ein weit vorausgedachter Schachzug der Sozialdemokratie, die mit ihrem "Paket der Maßlosigkeit" mit Mikl-Leitner keine Einigung erzielen konnte. Hofft die SPÖ womöglich, ÖVP und FPÖ würden einander öffentlich beschädigen und ihr die Wähler frei Haus liefern? Mutmaßlich hat die SPÖ gerade dringendere Fragen in der Gegenwart zu lösen, als an derart spitzfindigen taktischen Strategien in der Zukunft zu tüfteln.