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Pax Sinica

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Der Besuch von Xi in Moskau wird der Ukraine nicht nützen.


Die Kommentare der chinesischen Medien zum Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau waren einigermaßen selbstgefällig: "Wenn es ein Land gibt, das in der Lage ist, eine Mediatorenrolle im Ukraine-Konflikt zu übernehmen, dann ist das ein Land mit einer wahrhaft neutralen Haltung und einem Blick für Gerechtigkeit . . ." - mit diesem Land ist in dem Artikel, der in der englischsprachigen Zeitung der Chinesischen KP, "Global Times", erschienen ist, natürlich China gemeint. Der Titel des Textes: "Der Besuch von Xi, der in Russlands wärmstens willkommen geheißen wird, bringt eine Friedenshoffnung für die Ukraine."

Doch leider, wer darauf hofft, dass Chinas Engagement der Ukraine zumindest eine Atempause bringen könnte, wird enttäuscht werden. In Peking formulierte man zuletzt zwar immer deutlicher den Anspruch der Volksrepublik, die Weltordnung nach eigenen Vorstellungen mitzugestalten und der Pax Americana eine Pax Sinica gegenüberzustellen, aber wenn es um Frieden in der Ukraine geht, hat China Europa nicht viel anzubieten. Das Beste, worauf die Ukraine hoffen darf, ist, dass China auch weiterhin keine Waffen und Munition an Russland liefern wird.

Der am 24. Februar zum ersten Jahrestag des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine veröffentlichte 12-Punkte-Plan enthielt aber keine konkreten Forderungen an die Russische Föderation, den Aggressor in diesem Konflikt. Immerhin: China hat darin zumindest den Respekt der UN-Charta und des darin enthaltene Gewaltverbotes (Artikel 2 Nr. 4) verlangt, einen Punkt, gegen den Wladimir Putins Russland klar verstoßen hat.

Für Xi steht viel auf dem Spiel: Pekings Seidenstraßen-Träumereien sind ausgeträumt, seit sich ein neuer Eiserner Vorhang über Europa gesenkt hat. Und während die US-Verbündeten Deutschland und Frankreich vor 20 Jahren George W. Bush beim Einmarsch im Irak ihre Gefolgschaft versagt haben und Frankreich mit einem Veto im Sicherheitsrat gedroht hat, nennt Xi den Kriegstreiber Putin seinen "lieben Freund". Er sieht in ihm nicht jemanden, der die Ukraine mit Krieg überzieht und die Sicherheit Europas und der Welt gefährdet, sondern betrachtet ihn als nützliches Gegengewicht zum Westen und als verlässlichen Verbündeten im Machtkampf mit den USA.

Für Europa ist die Lage heikel: Russland ist für die USA bestenfalls eine Regionalmacht, für Europa allerdings seit dem Krieg in der Ukraine eine ernste Bedrohung. China hingegen ist für die USA eine strategische Herausforderung im Pazifik, aber für die Europäische Union gleichzeitig ein Kooperationspartner, ein wirtschaftlicher Mitbewerber und ein Systemrivale.

Es wartet ein heikler Balanceakt.