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Zumutungen für Mitglieder

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Mehr innerparteiliche Demokratie ist eine Sehnsucht. Mit Erlösung ist eher nicht zu rechnen.


Während am Donnerstag in Niederösterreich eine neue Ära mit der Demütigung beginnt, dass die ÖVP Johanna Mikl-Leitner ganz allein zur Landeshauptfrau wählen muss, erlebt die SPÖ aufs Neue die Bestätigung, dass halbherzige oder halbdurchdachte Lösungen nur noch mehr Probleme bringen.

Eigentlich sollte die Mitgliederbefragung eine Entscheidung im Machtkampf zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil herbeiführen. Doch diese an sich simple Ja/Nein-Frage wächst sich zu einer Studie über Idee und Zweckmäßigkeit innerparteilicher Demokratie aus - durchgeführt am lebenden Körper einer Partei, die sich in der Opposition fühlt wie ein Fisch an Land.

Parteien sind, historisch betrachtet, ein Mittel zur Durchsetzung konkreter politischer Interessen, Macht ist ihr Daseinszweck. In Demokratien gilt, dass die Parteien selbst nach demokratischen Prinzipien organisiert sein müssen. In Österreich hat sich dabei bei den Traditionsparteien das Konzept der Zustimmungsdemokratie durchgesetzt, wo die Basis den Parteioberen ohne große Debatten folgt. Anders halten dies Grüne und Neos, die zu einer Zeit gegründet wurden, als Mitglieder und Funktionäre schon auf Mitsprache pochten.

Dass ausgerechnet Menschen mit einem roten oder schwarzen Parteibuch zur Gefolgschaft verdonnert sind, andernfalls als Unruhestifter oder Verräter abgestempelt werden, ist paradox. An den Wettbewerb zwischen den Parteien haben wir uns gewöhnt, offene Konkurrenz in Parteien gilt als Problem. Tatsächlich erwarten die meisten Wähler von ihrer Bewegung Geschlossenheit nach innen wie außen. Wer zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dem nimmt man nicht ab, sich auch noch um anderes zu kümmern.

Nun wird in der SPÖ aus dem Duell ein Drei- oder Mehrkampf um die Spitze, was einen Rattenschwanz an weiteren Fragen nach sich zieht. Deren schwerwiegendste lautet: Was tun mit all den relativen Mehr- und Minderheiten in der Partei, die ein solcher Wettbewerb amtlich feststellt? Fraktionierungen werden so verfestigt statt aufgelöst.

Die ursprünglich geplante, doch dann stark verwässerte Parteireform der SPÖ hätte auch vorgesehen, dass Koalitionsabkommen der Basis zur Abstimmung vorgelegt werden müssen. Wie würden wohl die Mitglieder der ÖVP Niederösterreich über den schwarz-blauen Pakt entscheiden? Wie würden sie zwischen Machterhalt und Wahlversprechen entscheiden? Beim Nachdenken über Österreich verfällt man fast automatisch auf die seltsamsten Gedanken.