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Krise im Kosovo

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Der Balkan ist einmal mehr ein Spielball der Supermächte.


Am Anfang stand eine Tragödie: Der 13 Jahre alte Kosta K. aus der 7. Klasse der Ribnikar-Schule erschoss am 3. Mai den Schulwart, seine Lehrerin und sieben Mitschüler. Sieben weitere Menschen wurden verletzt. Am 4. Mai folgte ein weiterer Amoklauf: Der 21 Jahre alte Uros B. tötete in der etwa 50 Kilometer südlich von Belgrad gelegenen Stadt Mladenovac acht Menschen und verletzte dreizehn weitere.

Zehntausende gingen nach den erschütternden Massenmorden auf die Straße, um gegen die Regierung unter Präsident Aleksandar Vucic zu protestieren.

Doch davon ist in Serbien seit vorigem Freitag keine Rede mehr: Denn Ende vergangener Woche kam es zu Zusammenstößen zwischen der kosovarischen Polizei sowie Nato-Soldaten der Kosovo-Schutztruppe Kfor und serbischen Gewalttätern. Die Vorgeschichte: Im Norden des mehrheitlich von Serben bewohnten Kosovo wurden die Gemeinderatswahlen am 23. April boykottiert, schon Anfang November hatten die Parteigänger der serbischen Srpska Lista ihre Ämter verlassen und damit die Wahlen provoziert. Doch nach dem serbischen Wahlboykott waren nun plötzlich Albaner als Bürgermeister gewählt - und das in Städten, in denen die Serben klar die Bevölkerungsmehrheit stellen.

Hätte der Premier des Kosovo, Albin Kurti, mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl die Krise verhindern können? Vielleicht. Aber für den serbischen Präsidenten Vucic kommt die Krise wie gerufen. Denn wie nicht anders zu erwarten, hat sich Russland klar hinter Serbien gestellt und auch die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, hat die kosovarische Führung für die Krise verantwortlich gemacht.

Man darf nicht vergessen: Die USA haben 1999 die chinesische Botschaft in Belgrad bombardiert, russische Panzer sind im März 1999 der Nato zuvorgekommen und haben sich als Friedenstruppe im Norden des Kosovo festgesetzt. Russland und China erkennen die Unabhängigkeit der damals von Serbien abgesplitterten Provinz Kosovo nicht an. Für Russland ist Serbien ein historischer Verbündeter, und China verfolgt dort wirtschaftliche Interessen; der Balkan ist für das Reich der Mitte Europas weicher Unterleib.

Der Balkan als Spielball der Supermächte - das kann Europa und vor allem Österreich nicht gefallen. Die EU-Nationen sollten Präsident Vucic bei Gelegenheit daran erinnern, dass Deutschland, Italien, die USA, Frankreich und Österreich für fast 50 Prozent der Auslandsinvestitionen in Serbien verantwortlich zeichnen - aus China kommen gerade einmal 8,7 Prozent. Aber der serbische Präsident ist eben, wie er ist - und nach der Tragödie in Serbien droht nun eine weitere im Kosovo.