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Wahlwiederholung nötig

Von Simon Rosner

Leitartikel

Nicht einmal den Anschein von Manipulation darf es geben.


Das kann so nicht bleiben. Dass Parteimitarbeiter von sich aus eine mutmaßlich nur notdürftig versiegelte Kiste mit Stimmen ausgezählt haben. Dass danach erst die Leiterin der SPÖ-Wahlkommission in die Parteizentrale einbestellt wurde und diese alleine noch einmal auszählte, wie das am Dienstag die mittlerweile dritte Sprecherin der Wahlkommission seit Mai erklärte, ist kaum zu glauben. Und es ist nahe der Unerträglichkeit, mit welcher Nonchalance all dies bestätigt wurde. Ähnliche zur Usance gewordenen Schlampigkeiten haben Österreich vor sieben Jahren eine Wahlwiederholung bei der Bundespräsidentschaftswahl eingebracht. Die Gremien der SPÖ wären gut beraten, auch eine solche vorzunehmen. Natürlich ist das peinlich und teuer, und vielleicht wird dann sogar das Ergebnis ein anderes sein. All das kann passieren und war ja tatsächlich auch 2016 der Fall. Es kam damals zwar zu keiner Umkehrung des Resultats, doch aus einem zunächst hauchdünnen Vorsprung für Alexander Van der Bellen wurde im zweiten Anlauf dann ein deutlich größerer.

Am Dienstag wurde auch bekannt, dass es im Rahmen der ÖH-Wahlen an der Universität Wien zu einer ganz ähnlichen Verwechslung zweier Listen bei der Ergebniserstellung gekommen war; wenn man sich dann auch in Erinnerung ruft, dass es gar nicht so lange her ist, dass wegen eines Chaos bei den Briefwahlstimmen die Bezirkswahl in Wien-Leopoldstadt wiederholt werden musste; dass es auch in anderen Bundesländern regional immer wieder zu vereinzelten Wahlwiederholungen kommt - dann muss man diesem Land und seinen Verwaltern ja geradezu ein chronisches Demokratiedefizit diagnostizieren. Denn auch das gehört zu einer gut funktionierenden Demokratie: systemisch saubere Wahlakte, in die auch mehrere Kontrollschleifen inkludiert sind. Die höchstgerichtlich angeordnete Wiederholung der Bundespräsidentenwahl führte dazu, dass gesetzliche Leerstellen, in die sich über Jahrzehnte Schlampigkeiten eingenistet hatten, ordentlich befüllt wurden. Das war wichtig, weil nicht einmal der kleinste Anschein einer Manipulationsfähigkeit bestehen darf. Das beinhaltet eben auch, dass möglichst keine Graubereiche bestehen und auch nicht von Protokollarien abgewichen werden darf.

Bis zur SPÖ dürfte das nicht ganz durchgedrungen sein. Es mag schon sein, dass das Ergebnis in Linz genauso ausgefallen ist, wie nun die Nachschau ergeben hat. Es ist sogar ziemlich sicher so, Manipulationen sind nicht plausibel. Aber es geht eben auch um den Anschein. Der reicht vor Gericht, dass ein Gutachter abbestellt wird. Und der sollte auch reichen, um eine Wahl zu wiederholen.