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Geteilte Einigkeit

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Die Asyl-Frage erweist sich als Prüfstein für die Stabilität der EU.


Eine schnelle Einigung sieht anders aus. Dem eben errungenen Kompromiss der EU-Staaten in Sachen Asyl ging ein jahrelanges Tauziehen voran. Die Unklarheit, die dieses Ringen um gemeinsame Regeln mit sich brachte, hatte einen hohen Preis. Tausende Menschen starben auf gefährlichen Fluchtrouten, die EU machte sich erpressbar, es entfachte eine Solidaritätsdebatte zwischen den Mitgliedern. Nicht zu unterschätzen ist dabei der innenpolitische Einfluss, den das kollektive Nicht-Handeln in vielen EU-Ländern mit sich gebracht hat. Populisten des konservativen und rechten Lagers nutzten diese Unentschlossenheit als Basis ihrer Politik - mit Erfolg. Die Furcht vor dem Fremden und das Versprechen des entsprechenden Schutzes davor sind altbekannte wie effektive politische Hebel. Eine Politik der Angst greift eigentlich immer.

Ob die nun im Raum stehenden schärferen gemeinsamen AsylRegelungen dem populistischen Rechtsruck in Europa Einhalt gebieten werden, lässt sich freilich noch nicht sagen. Schnellere Verfahren an den Außengrenzen und eine fairere Verteilung von Verantwortung müssen sich dafür erst - sofern sie nach dem Gang durch die Instanzen Realität geworden sind - in der Praxis bewähren. Und sie bilden nur die Unterkante einer überfälligen umfassenden Reform. Die aktuellen Ideen gehen Probleme zwar an, verschieben diese vorerst aber nur bis über die Schengen-Außengrenzen. An der Wurzel packen sie das komplexe Geflecht aus Asyl und Migration (noch) nicht.

Die Reaktionen auf das Ergebnis des Treffens in Luxemburg sind geteilt - auf europäischer wie auf nationaler Ebene. Auf EU-Ebene wird der Kompromiss gar nicht erst geschlossen mitgetragen, was die Einigung zu einer problematischen macht. Polen und Ungarn etwa verwehren sich gegen die verpflichtende Aufnahme von Asylsuchenden. Auch Malta, die Slowakei und Bulgarien waren nicht dafür. Das schwächt die neu gewonnene Einheit. Dass die Kritik auffallend oft aus Lagern rechts der Mitte kommt, lässt sich als unsolidarisch werten - oder als Hinweis, dass Populisten befürchten, ihnen würde mit einer strengen AsylPolitik die Geschäftsgrundlage geraubt - eine unbegründete Sorge: Neue Feindbilder haben sich immer noch finden lassen.

Dass diese Ablehner tendenziell nationalistisch - und damit meist EU-kritisch - sind, macht die Asyl-Frage einmal mehr zum Prüfstein für die Idee eines starken geeinten Europas. Die aktuellen Krisen - Teuerung, Fachkräftemangel, Klimawandel - sind längst nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen. Gelingt es der EU nicht, aktuell auseinanderstrebende Impulse einzufangen, riskiert sie eine Instabilität, die Europa bis in die Grundfesten erschüttern könnte.