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Europa im Stress

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Wie sicher ist die Bank, bei der das Konto läuft? Wie sicher ist die Assekuranz, bei der die Lebensversicherung läuft? Bis 2009 stellte niemand der jeweiligen Kunden diese Fragen, nun sollten sie es besser tun. Denn sie waren die Basis der sogenannten Stress-Tests, die von den europäischen Aufsichtsbehörden durchgeführt wurden.

Nun kann viel lamentiert werden, dass die regionalen Eigenheiten zu wenig berücksichtigt wurden oder dass manche Maßnahmen (wie bei den Volksbanken) nicht eingerechnet worden sind.

Aber was hilft das? Europa muss sich als Einheit verstehen. Die Banker werfen den Politikern derzeit gerne vor, national zu denken, egoistisch - und europäische Lösungen zu blockieren. Das ist richtig. Europäisch zu denken gilt aber für die Banker auch. Das bedeutet, dass die vielen unterschiedlichen Varianten, sich das Eigenkapital schönzureden, ein Ende haben. Natürlich es ist Bank-Chefs und Aufsichtsratspräsidenten am liebsten, wenn es keine oder wenige Eigentümer gibt, die mitbestimmen können. Dieses System ist gescheitert.

Der Stress-Test ist - gepaart mit den strengeren Eigenkapitalvorschriften - ein Schritt in die Europäisierung der Finanzindustrie: Nur wer echtes Kapital aufzutreiben in der Lage ist, wird sein Wachstum beibehalten können. Dass deshalb gleich alle heimischen Banken Übernahmekandidaten werden, kann ausgeschlossen werden. Als Beispiel soll die Voest-Privatisierung gelten: Auch deren Zentrale konnte in Österreich gehalten werden.

Was beim Stress-Test allerdings eigentümlich anmutet, ist die Detailliertheit der Ergebnisse für 91 Banken. Für die US-Banken steht nichts Vergleichbares zur Verfügung. Viele Investmentbanken können sich mit den gratis frei Haus gelieferten Daten ausrechnen, welche Bank in Zukunft einen Partner benötigen wird und welche nicht. Um diesen kontinentalen Wettbewerbs-Nachteil auszugleichen, wären also europäische Banken-Zusammenschlüsse eindeutig zu bevorzugen. Amerikanische und asiatische Interessenten sollten nur zum Zug kommen, wenn sie die gleiche Transparenz vorweisen können wie die Europäer.

Hier kommt den Notenbanken und Aufsichtsbehörden eine wichtige Rolle zu. Zur Aufsicht gehört auch sicherzustellen, dass die Banken die europäischen Betriebe mit möglichst billigem Geld versorgen, und nicht überseeische Eigentümer mit hohen Dividendenzahlungen.

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