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Nährboden des Grauens

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die Mankell-Romane stellten den Rechtsextremismus in Skandinavien mehrfach an den Pranger. Was aber ist in einem Land wie Norwegen los, das vermutlich das reichste in Europa ist? Ein jüngerer Mann spaziert in ein Jugendlager der dortigen Arbeiterpartei und erschießt mehr als 80 Teilnehmer. Was für ein unvorstellbarer Hass wütet in so einem? Welcher Grad der Verhetzung wurde da erreicht? Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Tat von diesem 32-Jährigen geplant und durchgeführt wurde, als Einzeltäter kommt er – auch wenn ihn das nicht besser macht – keinesfalls in Frage. Ein bestimmtes Milieu, rechtsextreme Aussagen auch von norwegischen Politikern, das alles musste dabei vorbereitend mitspielen.

Es ist eine ungeheure Tat, monströs und ekelhaft. Norwegen trauert, Europa muss mit trauern. Der soziale Boden, auf dem solches wächst, ist brüchig geworden. Die norwegischen Rechtspopulisten sind zwar nicht an der Macht, aber die stärkste Kraft der Rechten dort. Deutlich vor den bürgerlich Konservativen.

Auch in Finnland, Dänemark und Schweden gibt es solche extremen Rechtspopulisten, und sie feiern Wahlerfolge. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Sogar in Norwegen, das über einen Fonds verfügt, der 400 Milliarden Euro schwer ist.

Jemand, der zu solchen Taten fähig ist, dem sind jede zivilisatorischen Werte abhanden gekommen. Das bedeutet auch ein Umfeld, in dem das Leben "der Anderen" nichts mehr zählt.

Wie kann eine demokratische Gesellschaft, die auf Gerechtigkeit und Gleichheit aufgebaut ist, dem zuschauen? Wie konnte es so weit kommen? Das sind Fragen, die sich Norwegen nach der Zeit der Trauers stellen wird. Allerdings muss sich diese Frage Europa insgesamt stellen. Die Hemmungslosigkeit der norwegischen Tat mag einzigartig sein, aber den Nährboden dafür gibt es in jedem Land. Auch in Österreich.
Den Opfern und Hinterbliebenen in Oslo und Utöya gilt unser Mitgefühl. Danach gilt es, den Tätern hinter dem Täter den Boden unter den Füßen wegzuziehen.