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Es fehlt ein Gegengewicht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Am leichtesten einigen sich die Parteien immer auf die Überschriften. Später dann findet sich immer ein Haar in der Suppe. Bei der Forderung nach mehr direkter Demokratie ist genau das der Fall: Jeder ist grundsätzlich sehr dafür, doch mit den Details häufen sich die Einwände.

Daran ist nichts auszusetzen. Wer in einer Demokratie in welcher Form das letzte Wort haben soll, ist keine kleine Frage. Wenn es stimmt, wovon Social-Media-Aficionados überzeugt sind - dass nämlich die Sehnsucht nach Beteiligung und Mitsprache ganz oben auf der Wunschliste der Bürger steht -, dann wird kein politisches System in Zukunft auf einen Ausbau der direkten Demokratie verzichten können.

Natürlich hat dies auch mit der Krise der Repräsentation zu tun, die unser parlamentarisches System durchlebt. Dies zu leugnen, wäre geradezu widersinnig, zu offensichtlich ist der Vertrauensverlust der Bürger in die Institutionen, allen voran in die Parteien.

Tatsächlich sind die Parteien der Angelpunkt der ganzen Debatte. Es fehlt ihnen ein Gegengewicht in einem politischen System, das bis in den letzten Winkel von Parteien-Vertretern besetzt ist - und mitunter weit darüber hinaus. Die von der Verfassung vorgesehenen Checks & Balances sind damit in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt, sind doch weder Justiz noch Medien vor Zugriff der Parteien verlässlich geschützt, während das Parlament es nach 1945 nie geschafft hat, neben der Regierung ein eigenständiges politisches Dasein zu führen.

Wer sich deshalb nicht auf den Konkurrenzkampf von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und BZÖ verlassen will, benötigt eine Instanz, die von außerhalb korrigierend und kontrollierend einzugreifen vermag. Das können in einer Demokratie nur die Bürger sein.

Man sollte sich davon allerdings keine Wunder erwarten, zu oft haben die Parteien deren Instrumente in der Vergangenheit schon okkupiert - und damit missbraucht. Vor allem in Österreich müssen die Bürger zuerst lernen, sich in Eigenregie, das heißt ohne Parteien, zu organisieren und zu artikulieren. Das geschieht am besten mit einer Explosion an direktdemokratischer Partizipation per sofort im Grätzel, in der Gemeinde und im Bezirk. Dann ist die Zeit, über jede erdenkliche Aufwertung von Volksbegehren nachzudenken. Wenn sich dann die Parteien vor Bürgers Stimme fürchten: Gut so.