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System mit Charakterfrage

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Der laufende U-Ausschuss zu Korruption zeichnet bereits gleich bei seinem ersten Untersuchungsgegenstand ein erschütterndes Sittenbild der Politik. Fürs Erste vorrangig in den Parteifarben Orange, Blau und Schwarz. Man darf getrost gewiss sein, dass sich dieses Spektrum noch erweitern wird.

Wie stets, wenn die besonderen Umstände eines geschlossenen Biotops den Lauf des Missbrauchs prägen, wird dieses gut geschmierte System von Geben und Nehmen auf Kosten unbeteiligter Dritter noch durch ausgeprägtes Charakterversagen bildhaft angereichert. Aber reduzierte Ansprüche an die eigene Moral sind nicht alleinverantwortlich für dieses beschämende Gesamtbild der politischen Klasse; der Missbrauch hat und ist System, von langer Hand angelegt und praktiziert, festgeschrieben in den formalen und informellen Strukturen der Zweiten Republik. Und Letztere ist in ihrer Organisation ein weitgehend exklusives Geschöpf der politischen Parteien. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich allenfalls das Machtverhältnis zwischen Politik und staatsnaher Wirtschaft umgedreht, mehr aber auch nicht.

Nun zu glauben, die Parteien wären imstande, sich neue, transparente Spielregeln für ihr Finanzgebaren zu geben, ist naiv bis an die Grenze der Fahrlässigkeit. Kein Beschuldigter hackt sich selbst die Gliedmaßen ab. Aber wer sonst wäre dazu in der Lage? Vielleicht ein Weisenrat, bestehend aus elder statesmen, der Rechnungshof oder, womöglich das Allereinfachste, wir kopieren schlicht ein funktionierendes, transparentes System der Parteienfinanzierung eins zu eins aus einem Vorzeigeland.

Ob uns die Politik dadurch allerdings insgesamt wesentlich billiger kommt, ist zweifelhaft. Was die Parteizentralen und Wahlkämpfer zu viel haben, haben die Nach- und Vordenker zu wenig. Das beginnt mit der finanziellen Ausstattung des Parlaments, wo es nicht nur hineinregnet, sondern das nicht einmal über einen eigenen Legislativ- und Verfassungsdienst verfügt. Wir reden hier wohlgemerkt vom Gesetzgeber und Vertreter des Souveräns, nicht vom Gemeinderat von Wulkaprodersdorf (ohne diesem nahetreten zu wollen).

Wahrschein jedoch werden wir in einem Jahr noch immer über das gleiche Thema reden. Lieber beschädigen die Parteien das Ansehen der Politik, als sich selbst Grenzen zu setzen.