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Kärnten schlägt Olympia

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Wie anders Österreich wirklich ist, wird einem erst bewusst, wenn man versucht, dieses Land einem Fremden zu erklären. Nicht bloß die Oberfläche, sondern auch die Tiefenstrukturen, wo vieles mit vielem zusammenhängt und sich jene Netzwerke offenbaren, die den realen Vorgängen erst ihre Logik verleihen.

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Eigentlich müsste ja heute Olympia in London das Thema sein. Etwa, warum die überbordenden Sicherheitsvorkehrungen einen erschreckenden Blick auf die Zukunft unseres künftigen Alltags ermöglichen; oder die uralte Geschichte, wie die Sehnsucht nach Ruhm durch das Streben nach Gold den Spielen ihre Aura raubte.

Aber nach den Ereignissen in Kärnten kann man nur schwer einfach zur Tagesordnung übergehen. Als am Mittwoch Josef Martinz - und zuvor schon Steuerberater Dietrich Birnbacher - zum Geständnis ansetzte, war dies einer jener raren Momente in der Geschichte der Republik, in denen sich die Politik selbst entblößte. Nicht irgendwo, sei es in privater Runde oder sonstwo hinter verschlossenen Türen, sondern vor aller Augen, in einem Gerichtssaal dieser Republik.

Man muss das so pathetisch sagen, anders würde man diesem Moment nicht gerecht.

Und Pathos ist notwendig, um das Kleinbürgerliche bloßzustellen, das unmittelbar nach dem Martinz’schen Offenbarungseid wieder die Oberhand zu gewinnen droht.

In Kärnten geht es nicht um die Verfehlungen einzelner Personen oder Parteien - ein ganzes System hat letalen Schiffbruch erlitten. In so einer Situation gebietet es vielleicht kein Gesetz und schon gar nicht die stets opportunistische Vernunft, Neuwahlen anzusetzen, sehr wohl aber ein fiktiver Ehrenkodex der Demokratie. Dem 2009 gewählten Landtag ist sein moralisches Fundament abhandengekommen, auf dem er seine politische Legitimation errichtet hat. Das Gleiche gilt im Übrigen, auch wenn er es nicht hören will, für den Landeshauptmann.

Es sei denn, man will die Bevölkerung mit ins morsche Boot holen, etwa nach dem Motto: Ihr habt alle - sagen wir: fast alle - mitgemacht, keine Fragen gestellt und die Augen vor der schmutzigen Wahrheit verschlossen.

Das wäre natürlich ein tollkühner Versuch, würdig der Erben Jörg Haiders. Und fast schon wieder von erschreckender logischer Konsequenz. Weil es nämlich auch nicht ganz falsch ist.