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Daumendrücker

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Krieg ist keine leichte Sache. Auch dann nicht, wenn er in Gestalt einer humanitären Intervention daherkommt. Der Aufwand an militärischen, finanziellen und logistischen Leistungen übersteigt längst die Möglichkeiten jedes durchschnittlichen Kleinstaats, zumal Europa - im weltweiten Maßstab betrachtet - ausschließlich aus Kleinstaaten besteht. Und da war vom Sterben, das zwangsläufig zum Krieg gehört, noch nicht einmal die Rede.

"Kein Land", erklärte Deutschlands Kanzlerin am Mittwoch, "kann all das alleine schaffen." Der Satz fiel auf einer Sitzung mitteleuropäischer Staaten, die sogenannten Visegrád-Länder, an der auch Deutschland und Frankreich teilgenommen haben. Vereinbart wurde, eine gemeinsame Kampftruppe bis 2016 aufzustellen.

Es darf angenommen werden, dass die Leistungsschau, die Europa gerade wieder am Beispiel Malis abgibt, zu diesem Entschluss beigetragen hat. Frankreich kämpft hier für europäische Interessen im Niemandsland der Sahara gegen islamistische Rebellen. Dabei drücken alle den Franzosen fest die Daumen. Der Beitrag Berlins besteht darin, polemisch formuliert, dass seit Anfang dieser Woche die französischen Jets ihren Treibstoff aus deutschen Tankflugzeugen saugen. Österreich, das nur nebenbei, hat sich schweren Herzens durchgerungen, sich an der EU-Ausbildungsmission zu beteiligen.

Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, der weltweit größten ihrer Art, warnt im Interview mit dieser Zeitung eindringlich davor, die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts sicherheitspolitisch auch noch im 21. Jahrhundert fortzuschreiben. Die Gefahr ist mehr als real. Als Gegenrezept wurden einst die EU-Battlegroups ersonnen, deren Grundidee immerhin aus 1999 stammt. Diese Interventionstruppen sind zwar längst einsatzbereit, es fehlt jedoch der politische Wille.

Ob die Lektionen aus Mali heilsame Wirkung zeigt? Gewiss ist das nicht, auch nach dem improvisierten Libyen-Einsatz gelobte die EU, in sicherheitspolitischen Fragen künftig an einem Strang zu ziehen. Aber vielleicht schafft ja, wie Ischinger hofft, die Schuldenkrise, was bloße Einsicht in die Notwendigkeiten bisher nicht geschafft hat. Wenn auch die Krise ungenutzt vorübergeht, kann sich Europa endgültig ganz der eigenen, kleinen Welt widmen. Denn dann gibt es draußen auch nichts mehr mitzureden.