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Muslimisches Dilemma

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Syriens Regime setzte Giftgas gegen die eigene Bevölkerung ein - mit hunderten Toten. Im Nordlibanon zerreißen Autobomben dutzende Menschen. In Ägypten zerbricht mit hohem Blutzoll die Gesellschaftsstruktur. Und mitten in dem Chaos versuchen Israelis und Palästinenser, zu einer Friedensregelung zu kommen.

Es sind vielleicht auch diese Verhandlungen, die die USA (oder Großbritannien und Frankreich) zögern lassen, in Syrien militärisch einzugreifen. Tatsächlich sind es ohnehin die starken Mächte dieser Region, die sich fragen müssen, wie lange das Schlachten wohl noch dauern soll. Politisch und diplomatisch besonders gefordert sind Saudi-Arabien und die Türkei.

Assad in Syrien muss weg, daran besteht kein Zweifel. In der Frage sind sich die beiden Länder noch einigermaßen einig.

Bei Ägypten allerdings scheiden sich die Geister, die Türkei unterstützt die Muslimbrüder, die Saudis das ägyptische Militär. Das macht die Situation in der arabischen Welt komplizierter - und noch gefährlicher.

Die verzweifelten Aufrufe der Europäer, doch zu einer politischen Debatte zurückzukehren, und Obamas vorsichtige Worte zeigen die Hilflosigkeit des Westens schonungslos. Wirtschaftlich können und wollen die EU und die USA weder Türkei noch Saudi-Arabien brüskieren - und es gilt auch noch den Iran im Auge zu behalten.

Klar ist aber, dass sich die westliche Diplomatie auf diese beiden Länder konzentrieren wird müssen. Ohne sie ist eine Beendigung des Blutvergießens nicht möglich. Beide wollen ihrerseits in das Machtvakuum vorstoßen, das Ägypten in der Region hinterlässt.

Die EU sollte mit großem Engagement versuchen, die Türkei und Saudi-Arabien an einen Tisch zu bekommen, bevor deren Streitereien noch weiter eskalieren. Denn der Nahost-Konflikt schraubt sich beständig höher. Längst geht es nicht mehr nur um Israel/Palästina. Es geht um eine tiefe und mehrfache Spaltung in den muslimischen Glaubensrichtungen. Da spielen Ländergrenzen eine kleine Rolle, der Riss geht durch die ganze Region - und droht sich immer mehr nach Asien auszubreiten.

Aber auch die Türkei und Saudi-Arabien wollen weiterhin wirtschaftlich prosperieren. Das können sie aber nur, wenn sie ihren Streit beenden und helfen, das Blutvergießen in Ägypten und Syrien zu stoppen.