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Empörte und Gleichgültige

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Die Schere geht immer weiter auf, zwischen den Lauten und Leisen in dieser Republik, zwischen den Engagierten und Aktiven, den Twitteranten und Facebookern und all jenen, die sich aus den Angelegenheiten, die uns alle angehen, längst verabschiedet haben.

Die Folgen sind massiv, auch wenn sie niemandem wehtun. Manche Dinge haben einen Wert an sich. Die Mitwirkung der größtmöglichen Zahl der Bürger - idealerweise sogar von ausnahmslos allen - ist für Demokratien ein solcher Wert.

Zwei Zahlen veranschaulichen die Situation: Soeben erst hat die Online-Petition für die Einsetzung eines Hypo-U-Ausschusses die Schwelle von hunderttausend Unterschriften übersprungen. Das ist ein beachtliches Lebenszeichen zivilgesellschaftlichen Engagements.

Konterkariert wird dieses Bild der Empörten von der wachsenden Masse der Gleichgültigen, wie sie sich im kontinuierlichen Niedergang der Wahlbeteiligung widerspiegelt. Teilweise liegt diese bereits bei unter 50 Prozent.

Jeder kann wählen, aber keiner muss. Wer es nicht tut, akzeptiert die Entscheidung der anderen getreu dem Motto "wer schweigt, stimmt zu": Das ist keine ganz ungefährliche Hypothese. Vor allem, weil es die Idee der parlamentarischen Demokratie schleichend untergräbt. Ab welcher Beteiligungsquote verliert ein Parlament den Anspruch, Vertreter aller Bürger zu sein: Müssen es mehr als 50 Prozent sein, reichen gar auch 35 Prozent? Die Frage liegt längst auf dem Tisch, ohne dass wir sie ernsthaft diskutieren.

Der Ausbau direkter Beteiligungsinstrumente bei Sachfragen wie auch bei der Personalauswahl ist richtig und wichtig, weil eine dringend notwendige Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. Gebrauch davon werden jedoch vor allem die ohnehin Interessierten und Engagierten.

Den Parteien kommt diese Verengung der potenziellen Wähler entgegen, auch wenn sie das nie zugeben würden. Es spart Geld, wenn die Summe der Kunden kleiner wird (zumal, wenn die Einnahmen darunter nicht leiden), und multipliziert Einfluss.

Die Opposition hat allen Grund, stolz auf die hunderttausend Unterschriften zu sein. Und die Koalition allen Grund zur Sorge, denn dies ist erst der Anfang der virtuellen Mobilisierungsdemokratie. Jetzt müssen wir noch sicherstellen, dass sie nicht zu einem Spielzeug immer kleinerer Minderheiten wird.