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Haltet den Dieb!

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Ob Tsipras nun eine absolute Mehrheit knapp hat oder nicht, spielt keine Rolle. Seine Partei wird den griechischen Regierungschef stellen.


Wie unschwer vorherzusagen war, hat Alexis Tsipras mit seinem Linksbündis Syriza die Wahl in Griechenland gewonnen. Ob er nun eine absolute Mehrheit knapp hat oder nicht, spielt keine Rolle. Seine Partei wird den griechischen Regierungschef stellen. Vor fünf Jahren hatten Christ- und Sozialdemokraten gemeinsam 80 Prozent der Stimmen, jetzt noch 30 Prozent.

Dazwischen lag die (selbstverschuldete) Fast-Pleite Griechenlands, und nach einigem Zögern das Hilfspaket von EU, Währungsfonds und EZB. 240 Milliarden Euro flossen nach Griechenland, auch von Österreich. Die Auflagen waren enorm und gut gemeint. Nun sind in Griechenland in einigen Regionen 75 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, 40 Prozent der Bevölkerung hat keine Krankenversicherung mehr. Und ein paar Hundert Superreiche haben sicherheitshalber 25 Milliarden Euro ins Ausland verschoben. Das alles organisiert von einem durchaus als korrupt zu bezeichnenden System, das sich Christ- und Sozialdemokraten über Jahrzehnte errichtet hatten.

Auf diesem fruchtbaren Boden gedieh Syriza prächtig, wie der Wahlausgang bewies. Die erste deutsche Reaktion auf das Wahlergebnis kam übrigens von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der auf die strikte Einhaltung der Vereinbarungen mit Griechenland pochte. Dümmer geht’s nimmer, auf "Haltet den Dieb" fällt kaum noch einer rein.

Denn der Wahlsieg Tsipras – mit seiner durchaus gestaltbaren Formulierungen nach einem Schuldenschnitt  - ist nicht nur der Aufschrei eines gequälten Landes. Es ist eine Zäsur für Europa. Italiens sozialdemokratischer Regierungschef Renzi sagt ebenfalls, dass die Sparpolitik ein Ende haben müsse. Und die europäische Sozialdemokratie wird sich das Wahlergebnis in Griechenland genau anschauen. Gianni Pitella, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa-Parlament hat als erste Reaktion zwei Worte gesagt: Stop Austerity.

Tsipras und Syriza ins kommunistische Eck zu drängen ist also zu einfach gedacht. Erstens gibt es im Europäischen Rat kaum einen Regierungschef, der ein solches Wahlergebnis vorzuweisen kann, das allein gibt Legitimation. Zweitens wird Tsipras (und nicht die deutsche "Linke") die Sozialdemokraten ins Grübeln bringen. Europa steht daher vor schwierigen Entscheidungen. Die Frage, ob das griechische hilfsprogramm nun verlängert wird oder nicht, ist dabei zweitrangig.