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Hut ab vor dem Cowboy

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Imperialismus! Wladimir Putin liegt richtig. Tatsächlich ist der juristische Frontalangriff auf das korrupte System im Weltfußball "ein offenkundiger Versuch der USA, ihr Rechtssystem auf andere Staaten auszuweiten", wie Russlands Präsident am Donnerstag treffend feststellte. Als jemand, dessen Regime penibel darauf achtet, dass die eigene Justiz perfekt auf Zuruf funktioniert, ist Putins Empörung verständlich.

Mit seiner Kampfansage begibt sich Washington auf juristisch dünnes Eis. Die US-Justiz schert sich in einigen Bereichen nicht um die Grenzen nationaler Rechtsprechung - Stichwort Territorialprinzip. Das gilt für den Kampf gegen den Terrorismus ebenso wie für die Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen (etwa Währungsmanipulationen oder die Verletzung geistiger Eigentumsrechte) und eben auch, wenn es um globale Korruption geht. Dass die Verfahren tatsächlich vor Gericht landen und zu Verurteilungen führen, ist längst nicht gewiss.

Im Fall der Fifa beruft sich die US-Justiz auf einen Anti-Mafia-Paragrafen; für Washington steht der Weltfußballverband auf einer Stufe mit den ehrenwerten Familien des organisierten Verbrechens. All die gemeinsamen Auftritte höchster Würdenträger mit den Fifa-Bossen bei den Eröffnungen von Welt- und Europameisterschaften gewinnen da eine neue Dimension.

Wir Europäer halten uns einiges zugute, wenn es um einen funktionierenden Rechtsstaat geht. Das hat uns nicht davon abgehalten, über Jahrzehnte die Augen vor ehrenwerten Einrichtungen organisierter Kriminalität zu verschließen - im Sport genauso wie in der Finanzwelt. Aber - leider, leider - konnte man nie etwas unternehmen. Es fehlte an den richtigen Paragrafen, Entschlossenheit und wohl auch am Mut.

Den USA sind solche formalistischen Bedenken fremd. Wenn die Supermacht ein Problem als solches identifiziert, sorgt sie auch für die notwendigen Mittel, Abhilfe zu schaffen. Die USA können es, also tun sie es auch. Das ist oft genug problematisch. Cowboy-Mentalität nennt man es deshalb in der alten Welt und meint es öfter abwertend als bewundernd.

Jetzt bejubeln alle, Politiker wie Kommentatoren, die Kampfansage der US-Justiz gegen die Fifa. Über dieser Erleichterung sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass Europa über Jahrzehnte hinweg lediglich kritisiert, nie aber gehandelt hat. Es brauchte einen Cowboy.