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Links, rechts greift zu kurz

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Außenminister Sebastian Kurz erklärte zu negativen Reaktionen auf seinen "Kürzt-Sozialleistungen-für-Osteuropäer"-Sager, dass ihn "Kritik von linker Seite sehr unbeeindruckt" hinterlasse. Das ist ein netter Satz für einen ÖVP-Politiker, geht allerdings am Kern vorbei.

Denn "links" und "rechts", das sind mittlerweile recht leere Begriffe.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist ein "linker Politiker" nach alter Definition, aber gegen die Unterbringung von Schutzsuchenden in Kasernen - womit Zelte bleiben. Hans Niessl wäre kraft Parteimitgliedschaft auch ein "Linker", aber das glaubt selbst in der ÖVP niemand. Christoph Leitl ist Wirtschaftsbund-Obmann und somit ein "Rechter". Seine Forderung eines Marshallplans für Afrika könnte aber auch von "linken" Entwicklungshelfern stammen.

Wenn der Außenminister nun Kritik an seinem Vorschlag als "links" zu diffamieren versucht, definiert er ein Politik-Schema, das nicht in die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts passt.

Seit seiner Entstehung steht "links" für Kollektivismus und "rechts" für Individualismus, doch seither sind halt 250 Jahre vergangen.

Die britischen Philosophen der Aufklärung, die Eigentum als gesellschaftlichen Wert definierten, bekämpften den Absolutismus. Heute geriert sich die Volkspartei als Eigentumspartei. Doch viele liberale Vordenker aus dem 18. Jahrhundert würden über so manche Vorschläge der Volkspartei die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Dass ein sozialdemokratischer Finanzminister (Ferdinand Lacina) die Vermögenssteuer abgeschafft hat, würde ähnliche Reaktionen bei den "linken" Revolutionären des 19. Jahrhunderts hervorrufen.

Die beiden Begriffe sind durch gesellschaftliche Wirklichkeiten überholt worden. Die Globalisierung mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitsteilung sowie der Versuch Europas, in der EU eine neue, supranationale Gesellschaft zu schaffen, haben die "Feindbilder" ins Wanken gebracht.

Wenn der Außenminister meint, dass ein in Österreich arbeitender Rumäne fast so viel Familienbeihilfe bekomme, wie er in seinem Herkunftsland verdienen würde, hat er recht. Indes, der Satz bedeutet nichts. Es wäre seine Aufgabe als Minister, für eine Sozialunion in Europa zu sorgen. Damit wäre er zwar ein "Linker", aber wenn dies eine gute Idee ist, sollte es ihm egal sein.