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Herrschsucht

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

"Die Bundesbank hat seit Maastricht viele unserer europäischen Partnerstaaten unter Druck gesetzt, ihrer Ideologie zu folgen. Dabei nehmen Sie (. . .) in Kauf, dass (. . .) verkrampfter Einspar-Aktionismus im Publikum dem Maastrichter Vertrag zur Last gelegt und dieser und der Euro deshalb von
(. . .) Leuten abgelehnt werden."

Dies schrieb im November 1996 der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt in einem offenen Brief an den damaligen Chef der dortigen Notenbank, Hans Tietmeyer.

Um die aktuelle Debatte um Griechenland zu verstehen, ist es notwendig, diese 21 Jahre zurückzublicken. Damals entstanden das Konstrukt der Währungsunion, die Europäische Zentralbank und die Stabilitätsregeln. In all diesen Debatten war die Deutsche Bundesbank als mächtigste Zentralbank Europas tonangebend. Sie wollte im Wesentlichen die D-Mark über ganz Europa ausrollen und schaffte das auch über weite Strecken.

Wer würde für den Euro fit genug sein? Im Maastricht-Vertrag fanden sich dafür fünf Kriterien und der Zusatz: "Erfüllt ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien, so sollen alle sonstigen einschlägigen Faktoren berücksichtigt werden, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaates."

Es ging darum, einen mächtigen Währungsraum zu gestalten, der dem Dollar Paroli bieten sollte. Deutsche Bundesbank-Herrschsucht reduzierte das hehre politische Ziel auf eine Drei-Prozent-Budgetdefizit-Klausel. Hohe Arbeitslosigkeit? Kein Thema, wichtig war nur eine niedrige Inflationsrate. Einem Arbeitslosen ist es allerdings egal, ob die Teuerungsrate bei null oder vier Prozent liegt, er will einen Job.

Der Arbeitslose dieser Tage ist Griechenland. Die harschen Sparbefehle "made by Bundesbank" haben Alexis Tsipras erst an die Macht gespült. Doch das ist egal, jetzt muss er wieder weg. Deutschland, inklusive der SPD, spielt im Jahr 2015 Tietmeyer. Die ökonomische Macht Deutschlands isoliert die griechische Regierung.

Es geht in der Debatte nicht um Schuldenerleichterungen für Griechenland, es geht um die Deutungshoheit in der europäischen Politik. Der Tietmeyer-Jünger Wolfgang Schäuble sorgt sich um das griechische Volk? Nein, tut er nicht. Er nutzt die Unerfahrenheit Tsipras’, um die deutsche Hegemonie in der EU abzusichern.