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Flüchtlinge zweierlei Maß

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Was haben LuxLeaks und Syrien gemeinsam? In beiden Fällen geht es um Flüchtlinge. Die einen flüchten vor der Steuer, die anderen vor Krieg und Elend. Der PR-Manager Stefan Sengl hat nun beides verknüpft. Er wunderte sich auf Twitter, warum Europa einer Steuerflucht von einer Billion Euro teilnahmslos zusieht, aber die Flüchtlingswelle (auch) wegen der damit verbundenen Aufwendungen kritisiert.

Ein interessanter Gedanke, immerhin stand nun Jean-Claude Juncker als ehemaliger luxemburgischer Regierungschef dem Europaparlament wegen Steuerdumpings Rede und Antwort. Sinngemäß erklärte er, dass dies seinerzeit fast alle EU-Länder machten. Das ist richtig, Karl-Heinz Grasser war (nicht nur als Finanzminister) ein glühender Verfechter des "Steuer-Wettbewerbs" in der EU.

Tatsache bleibt nun, dass die Kosten der Flüchtlinge in Österreich ziemlich genau ein Promille jener Summe ausmachen, mit der Großkonzerne und Superreiche vor dem Fiskus flüchten.

Nun sorgen solche Steuer-Deals auch für Wirtschaftswachstum, in Irland etwa. Und für die Iren ist die niedrige Unternehmenssteuer so prägend wie die Neutralität für Österreich.

Allerdings sollte - dieses Wort ist in Zusammenhang mit den Kriegsflüchtlingen öfters zu hören - die Angemessenheit berücksichtigt werden.

100 Milliarden Euro, also zehn Prozent der Steuerflucht, würden nicht nur Schutzsuchenden würdige Quartiere ermöglichen, sondern auch wirtschaftliche Aufbauprogramme in den Nachbarländern Syriens, Libyens und des Irak. Zehn Prozent, das entspricht etwa jener Quote, mit der Ungarn Flüchtlingen Asyl gewährt.

Es wäre also mehr als angemessen. Doch wer wird dies bewerkstelligen? Juncker, nunmehr EU-Kommissionspräsident, hat am Donnerstag mehr Steuergerechtigkeit versprochen. Das ist schön, doch es ist bloß ein Satz. Wenn die Regierungschefs kommende Woche über die Flüchtlinge debattieren, könnten sie beispielsweise gleich darangehen, in den als Steueroasen definierten EU-Ländern eine Sonderabgabe zu beschließen, um Flüchtlinge und Helfer zu unterstützen.

Das ist utopisch? Ja, vermutlich. Aber wer hat im Vorjahr wohl vorausgesehen, dass diese große Zahl an Menschen nach Europa flüchten würde? Im Moment ist viel von Notmaßnahmen die Rede, zu viel. Allein mit dieser schlichten Steuermaßnahme würde sich Europa diese Not ersparen.