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VW und die Verlotterung

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Der Abgas-Trick des VW-Konzerns ist für die Industrienation Deutschland ein veritables Desaster. Die zu erwartenden Straf- und Schadenersatzzahlungen drohen die vorhandene Netto-Liquidität des Autokonzerns in Höhe von 21 Milliarden Euro zu übersteigen, vom Image-Schaden gar nicht zu reden. Es kann durchaus die jetzige Struktur des VW-Konzerns zur Disposition stehen, mit massiven Auswirkungen auf die Industrienation Deutschland.

Wie man so blöd sein kann, bekanntermaßen nicht zimperliche US-Behörden zu betrügen, wird in den kommenden Wochen aufgearbeitet. Der ökonomische Tsunami rast jetzt schon durch Deutschland - und auch durch Österreich. Die Familien Piech und Porsche haben aufgrund des Aktien-Kurssturzes in zwei Tagen acht Milliarden Euro an Vermögen verloren. Insgesamt hat VW an der Börse seit Wochenbeginn etwa 25 Milliarden Euro verloren.

Der hoffnungsfrohe Ausblick, heuer der größte Autobauer der Welt zu werden, ist dahin; in Deutschland wackeln Arbeitsplätze, in Österreich wohl auch. Sollten Dieselmotoren durch die VW-Tricks diskreditiert sein, wären auch andere Autoproduzenten betroffen. Und BMW betreibt sein Zentrum für Dieseltechnologie in Steyr.

Es ist der Autobranche zu wünschen, dass die nun weltweit anlaufenden Tests von Diesel-Pkw keine neuen bösen Überraschungen bringen werden und der Skandal auf VW beschränkt bleibt. Dies genügt aber schon vollauf. VW gilt als Symbol für deutsche Ingenieurskunst. "Made in Germany" hat einen Kratzer bekommen, und zwar einen tiefen Kratzer. Wie ernst die VW-Sache genommen wird, belegt die Tatsache, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel persönlich ausrückte und volle Aufklärung versprach.

Doch der Skandal zeigt auch, dass sich manche Großkonzerne - wie vor wenigen Jahren Großbanken - ihrer Verantwortung nicht bewusst sind. Größe und Einfluss bedeuten auch gesellschaftliche Verantwortung. Das mag die jährliche Rendite drücken, doch es gefährdet den Bestand eines Unternehmens nicht. VW-Chef Martin Winterkorn hat seit 2011 jährlich zwischen 15 und 17 Millionen Euro verdient. Die soll er zurückgeben, und mit ihm sollen auch die Familien Porsche und Piech einen weiteren Teil ihres Vermögens abgeben, um den Schaden zu begleichen. Verantwortung hat ihren Preis, bei VW ist es ein hoher.