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Europa in der Dauerkrise

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Europa ist in der Dauerkrise: zuerst Griechenland und der Beinahe-Zusammenbruch der Eurozone, dann das Ringen Europas mit Russland um die Zukunft der Ukraine - und jetzt die Flüchtlingsfrage.

Die politische Klasse des Kontinents war mit den Herausforderungen der jüngsten Vergangenheit hoffnungslos überfordert: Die EU-Länder haben den Fast-Kollaps Griechenlands nicht nur gleichmütig hingenommen, sie haben auch über Jahre die falsche Medizin verabreicht und waren nur darauf fokussiert, dass das Land seine Schulden bezahlt. Dass Griechenland nun die Schengen-Außengrenzen nicht mehr kontrollieren kann, hat erst dazu geführt, dass die Balkan-Route sich öffnete. In einer komplexen Welt hängt eben alles mit allem zusammen.

Die Tatsache, dass es immer noch Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland gibt, zeigt, wie geschwächt die Eurozone ist. Und das Faktum, dass der Zugverkehr zwischen München und Salzburg nach wie vor unterbrochen ist und Grenzkontrollen den Autoverkehr zwischen Österreich und Deutschland verzögern, ist nicht gerade ein Zeichen dafür, dass Schengen quietschlebendig ist. Die "Brexit"-Drohung und die Fragmentierung einzelner EU-Mitgliedsländer entlang regionaler Grenzen in Spanien und Großbritannien sind eine zusätzliche Herausforderung für die Union.

Die Lehren sind simpel: Wann immer der Zusammenhalt in der EU fehlt, ist an eine Problemlösung nicht zu denken. Mangelnde Solidarität in der Euro-Krise, mangelnde Geschlossenheit im Umgang mit der Ukraine-Krise und nun das Floriani-Prinzip samt Flüchtlings-Ping-Pong. Woran Europa krankt: Probleme werden nicht gemeinsam gelöst, sondern von einem Nationalstaat dem anderen zugeschoben.

Der Blick in die Zukunft lässt nichts Gutes erahnen: Wenn die Antwort der Wähler auf die europäische Malaise eine Stärkung der Nationalisten ist und die Populisten in den einzelnen Mitgliedsländern auf der derzeit perfekten Welle weitersurfen, wird der Kontinent in eine Abwärtsspirale geraten, die letztlich zum Zerbrechen der Union und damit zur Marginalisierung der Länder Europas führen wird. Dieser Abwärtssog würde den Nationalisten und Populisten paradoxerweise weiter Wähler zutreiben.

Es ist höchste Zeit für die Renaissance des europäischen Gedankens.