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Angriff auf das Herz des Staates

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert.

Am 11. September 2001 starben bei den bisher monströsesten Terroranschlägen der Menschheitsgeschichte mindestens 2989 Menschen samt den 19 Flugzeugentführern. Am 7. Oktober 2001 flogen US-Streitkräfte nach einem Ultimatum an die Taliban die ersten Luftangriffe gegen Ziele in Afghanistan. Und am 25. Oktober 2001 ratifizierte der damalige US-Präsident George W. Buch als Reaktion den sogenannten Patriot Act, der massive Einschränkungen der Bürgerrechte in den USA beinhaltete.

Nach den Anschlägen vom Freitag den 13. November 2015 wurde in Frankreich der Ausnahmezustand ausgerufen und der konservative französische Oppositionsführer Nicolas Sarkozy fordert Hausarrest und Fußfesseln für Islamisten. Der "Islamische Staat" (IS, Daesh auf Arabisch) wird schon seit längerer Zeit bombardiert.

Doch ist das die Lösung? Wenn man nichts anderes als einen Hammer hat, dann sieht jedes Problem eben wie ein Nagel aus, witzelte schon der amerikanische Psychologe Abraham Maslow. Lauschangriff, Luftangriffe, V-Leute.

Es gehört eben mehr als ein Hammer in den Werkzeugkasten zum Staatsschutz. Mehr Fantasie, mehr Prävention. Was nicht heißt, dass es im Kampf gegen IS nicht auch robuster militärischer und geheimdienstlicher Maßnahmen sowie des effektiven Schutzes der EU-Außengrenzen bedarf. Für Bürgerrechte - auch nach furchtbaren Anschlägen - einzutreten, zeugt eben nicht vom schlichten Gemüt einer Gruppe von Naiven in einer Wohlfühlgesellschaft, wie manche Lehnsesselstrategen meinen, sondern davon, dass überzeugte Verfassungspatrioten eben nicht zulassen wollen, dass auch der Rechtsstaat zum Terror-Opfer wird.

Letztlich kann nur die Diplomatie und die Politik den Krieg in Syrien und im Irak - und damit den IS-Spuk - beenden. Und das kann nur gelingen, wenn die Regierung in Bagdad der sunnitischen Bevölkerung Teilhabe gewährt und Syrien eine neue Regierung und eine neue Verfassung bekommt -falls diese beiden Gebilde als staatliche Entitäten denn überhaupt noch zu retten sind.

Für Europa gilt jedenfalls das, was der französische Journalist Nicolas Hénin - der zehn Monate in Geiselhaft des Islamischen Staates war -im britischen "Guardian" in einem Gastkommentar formuliert hat: IS fürchtet keine Bomben, schreibt Hénin, "die Terrormiliz fürchtet unsere Einheit."