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Minus 73 im EU-Parlament

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

73 der 751 Abgeordneten zum Europaparlament stammen aus Großbritannien. Nun ist nach dem Brexit die Prozedur nicht genau definiert, aber diese Abgeordneten können eigentlich nicht anders als sofort zurückzutreten. Ein beliebtes Argument der Brexit-Befürworter war ja die fehlende demokratische Legitimation der Europäischen Union.

Nach dem Referendum-Beschluss im (noch) Vereinigten Königreich fehlt aber diesen 73 Abgeordneten jegliche demokratische Legitimation, ihr Mandat weiter auszuüben. An erster Stelle ist sicher Nigel Farage von der Anti-EU-Partei Ukip zu nennen. Danach folgen die von den konservativen Tories kommenden Mandatare. Deren Brexit-Spitzenvertreter Boris Johnson verglich die EU immerhin mit Adolf Hitler. Und auch die Labour-Spitze hat sich beim britischen Referendum nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Nun mag der Katzenjammer auf der Insel groß und eine behutsame Politik auf EU-Seite angebracht sein. Doch das alles ändert nichts daran, dass diese 73 Europapolitiker vorigen Freitag das sie entsendende Land verloren haben. Mit welcher Begründung können diese Abgeordneten jetzt noch bei europäischen Beschlüssen mitstimmen?

Und die britischen Parteien könnten damit ernsthaft dokumentieren, dass sie kein Abgeordnetengehalt von einer ohnehin abgelehnten Institution mehr akzeptieren.

Natürlich wird es viele Argumente geben, warum diese ihr Amt behalten sollen. Die Abgeordneten sind ja für diese Periode gewählt und manche sogar guten Willens, ihr Amt auszufüllen.

Doch das alles hilft nichts, sie müssen gehen - und zwar gleich. Wenn sich die EU selbst ernst nimmt, sollte sie alles daransetzen, dies auch durchzusetzen. Dabei geht es nicht um Revanchismus, sondern darum, das eigene demokratische Verständnis nicht auf jenes Niveau zu bringen, das von den Herren Farage und Johnson behauptet wird.

EU-Abgeordnete eines Landes zu akzeptieren, das beschlossen hat, die EU zu verlassen, ist absurder, als die Nacht finster ist. Für Politiker, die aus Nordirland und Schottland stammen, mag dies ein nicht nur finanzieller Schlag, sondern auch ein ideeller sein. Aber Demokratie bleibt nur Demokratie, wenn sie sich zur Wehr setzt. Und die europäische könnte beweisen, dass sie legitimer ist, als ihre Gegner gern behaupten.