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Bizarre Polit-Logik

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Sebastian Kurz hat die Regierungszusammenarbeit beendet, weil es so nicht weitergehen könne. Er kann sich aber vorstellen, mit der SPÖ bis zum Wahltermin (in etwa Mitte Oktober) noch einige wesentliche Änderungen zu beschließen. Bis Montagabend wollte er dafür aber nicht Vizekanzler werden - das ist alles nicht ganz logisch.

Dass die ÖVP eine (zugegeben schwierige) Zusammenarbeit ausgerechnet in einem Jahr beendet, in dem die Wirtschaftsdaten sichtbar nach oben zeigen, verärgerte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, immerhin gelernter Ökonom. Der Aufschwung dürfe durch die vorzeitige Neuwahl nicht gefährdet werden, sagte er. Das sieht auch Bundeskanzler Christian Kern so. Wenn es also in Österreich trotzdem so nicht weitergehen kann, stellt sich die Frage, was kann nicht weitergehen?

Die Republik prosperiert, das meiste in Österreich funktioniert besser als in anderen EU-Ländern. Es gibt etliche Zukunftsbereiche, auf die die Politik nur unzureichend Antworten gibt. Das Bildungs- und Gesundheitswesen muss anders organisiert werden. Es gibt Reibungsverluste im Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund und Ländern. Die Bürokratie für Klein- und Mittelbetriebe muss reduziert werden. Das Steuersystem könnte gerechter sein.

In früheren Wahlen wurde die (damals) große Koalition damit begründet, dass nur das Zusammenspiel der relevanten Kräfte solche Reformen ermögliche.

Nun beendet die ÖVP die Regierungszusammenarbeit, weil solche Reformen nicht möglich sind - und schafft ihre Bundespartei so nebenbei ab und unterwirft sie einer Art Holding, genannt "Liste Sebastian Kurz". Vielleicht erfüllt ihr das den sehnlichen Wunsch, endlich wieder den Bundeskanzler stellen zu können. Aber was ist dann? Die Reformnotwendigkeiten werden sich deswegen nicht ändern. Und dass bei einer Staatsreform die föderalistische ÖVP ihrer neuen Kurz-Holding völlig freie Hand gibt ist - bei allem Respekt - nur schwer zu glauben.

Völlig offen ist, wie es nach der Wahl weitergehen wird. Nach heutigem Umfrage-Stand wird es rein rechnerisch entweder eine Koalition der ÖVP mit der FPÖ oder der SPÖ mit der FPÖ geben. Ob dann genau das weitergeht, was bisher nicht möglich war? Die Wähler werden es beantworten, früher als manchen lieb ist.