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Über Befehle

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Der Tod eines Bundesheer-Rekruten im Rahmen einer Übung bei großer Hitze zwingt zum Nachfragen und Nachdenken. Justiz und Militär prüfen, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Über die Konsequenzen werden die Ergebnisse der Untersuchungen entscheiden. Personell, strukturell und inhaltlich.

Mit zu bedenken ist dabei, dass es sich beim Bundesheer um keine Einrichtung wie jede andere handelt. Auch 72 Jahre ununterbrochener Friedenszeit ändern nichts daran, dass dessen Kernaufgabe im Schützen und Helfen besteht, und zwar unter Einsatz militärischer Mittel. Der Begriff "Krieg" mag aus dem offiziellen Wortschatz verschwunden sein, doch die militärischen Grundregeln gelten auch für Friedensmissionen und Katastrophenhilfe.

Im Zentrum steht dabei die Befehlsgewalt der Vorgesetzten, die Gehorsam bei den Untergebenen verlangt. Eingefleischte Zivilisten fühlen sich da in einer völlig anderen Welt. Zu Recht.

Mit der Wehrpflicht sind dieser Eigenweltlichkeit aber Grenzen gesetzt, jedenfalls solange nicht waffenstarrende Armeen an Österreichs Grenzen den Einmarsch vorbereiten. Wenn jeder junge Mann zum Dienst verpflichtet ist, steht der Staat ganz besonders in seiner Fürsorgepflicht.

Bei den Bediensteten geschieht das ja auch, sogar in hervorragender Weise. Gleich etliche Paragrafen des Militärstrafgesetzes stellen Ungehorsam gegenüber und tätliche Angriff auf die Vorgesetzten unter Strafe; schon die "Verabredung zum gemeinschaftlichen Angriff" gehört da dazu (einst die einzige wie übliche Möglichkeit, wie sich Rekruten gegen "Schleifer" wehrten).

Dagegen passen die Rechte der Soldaten, den Gehorsam zu verweigern, in einen einzigen Paragrafen. Der zählt auf, wann ein solches Verhalten straflos bleibt, etwa wenn ein Befehl gegen die Menschenwürde, in keiner Beziehung zum Dienst steht oder durch neue Verhältnisse unwirksam wird.

Diese Aufzählung sollte um zwei Punkte ergänzt werden, die in etwa so lauten müssten: Ein Befehl ist nicht zu befolgen, wenn er gegen den Hausverstand verstößt oder sonst wie die Grenzen des allgemein Zumutbaren überschreitet. Und wenn es uns dann noch gelingt, eine Kultur zu entwickeln, in der nicht Konformität und Gehorsam, sondern der Mut zum selbständigen Denken belohnt wird, dann, ja dann, hätte dieses Land einen Schritt vorwärts geschafft.