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Die Stunde des Euro?

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Im abgeschiedenen Ferienort Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming treffen sich einmal im Jahr die Chefs der Notenbanken der Welt. Auch wenn sie dort keine Beschlüsse fassen, werden doch ökonomische Wegweiser aufgestellt, die in den Monaten und Jahren danach so gut wie jeden auf dem Globus betreffen, der mit Geld hantiert. Am Donnerstag startet das heurige Meeting, und diesmal schauen alle auf EZB-Chef Mario Draghi. Vielleicht macht er doch eine Ankündigung, wann die EZB ihre Nullzinspolitik aufgibt? Vielleicht sagt er was zum Thema Anleihenkäufe, deren Stopp diesen Markt belasten würde.

Doch noch interessanter wäre zu erfahren, was die Notenbanker dort ganz ohne Öffentlichkeit besprechen, etwa die Wechselkurs-Relationen. Der Euro hat in den vergangenen sechs Monaten zum US-Dollar um elf Prozent aufgewertet, das ist keine Kleinigkeit. Umso mehr, als die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöht hat, die EZB aber nicht. Händler begründen dies damit, dass sich die gigantische Pläne von US-Präsident Donald Trump auflösen, der Nationalismus in Europa nicht obsiegt hat und irgendwann auch in der Eurozone die Zinsen steigen werden.

Das sind plausible Argumente, aber am Devisenmarkt, der immerhin täglich im Gegenwert von fünf Billionen Dollar handelt, ist Kurzfristigkeit ebenso wichtig. Warum soll ein Investor heute Euro kaufen statt Dollar, wenn das Geschäft nächste Woche eh schon wieder zu Ende ist?

Ein Argument der Analysten kann gelten: Trump befördert die USA global in eine Außenseiterrolle. Der Dollar als Weltwährung lebt von der Leitfunktion der USA. Vielleicht ist die Zeit der Dollar-Weltherrschaft tatsächlich vorbei - Russland, China und Japan werden nichts dagegen haben. Wenn dem so ist, müsste Europa allerdings nachlegen. Alle wichtigen Rohstoffe notieren in Dollar. Das ist bei einem Wechselkurs von 1,18 Dollar für 1 Euro zwar günstig für Rohstoff-Importeure, aber vor wenigen Monaten hat es bei 1,04 Dollar anders ausgesehen.

Wenn die Argumente der Analysten stimmen, dann sollte die EU die Gunst der Stunde nutzen: Euro-Notierungen der wichtigsten Rohstoffe würden die europäische Industrie stabilisieren. Ob solche Ideen in Jackson Hole gewälzt werden, ist unbekannt, eher unwahrscheinlich. Aber dass der Euro als Reservewährung an Bedeutung gewinnt, klingt logisch. Dann muss die EZB aber trachten, dass der Euro nicht noch weiter steigt.