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Insel der Seligen

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Der gerade erst beginnende Wahlkampf droht viele Bürger zu verschrecken. Was die SPÖ so insgesamt umtreibt, ist immer noch nicht klar. Christian Kerns "Plan A" wird verschüttet von anderen Themen, zuletzt von Michael Häupls Rücktrittsfestlegung, die genauso gut am 16. Oktober erfolgen hätte können. Ob die Gewerkschaften mit so manchen Punkten des "Plan A" große Freude haben, sei dahingestellt. Auch die ersten Details des ÖVP-Wirtschaftsprogrammes erzeugen eine gewisse Ratlosigkeit. Der Kampf gegen Steuerbetrug könnte schon seit Jahren laufen. Und das Ende der Nullzinspolitik der EZB zu fordern, ist im August 2017 das Einrennen einer sich öffnenden Tür. Die FPÖ gibt sich in ihrem Wirtschaftsprogramm "sowohl-als-auch". Soziale Errungenschaften gehen Hand in Hand mit einer "Entfesselung" der Wirtschaft. Das schaffen die Sozialpartner derzeit gerade einmal so, und die tun seit Jahrzehnten nichts anderes.

Die wahren Wirtschaftsthemen kommen nicht vor, die reichen viel tiefer und werden in Ängsten der Bürger sichtbar: Welche Auswirkungen wird die Robotisierung auf die Arbeitswelt haben? Genügen unsere politischen Systeme diesen Ansprüchen? Wird der Klimawandel Landwirtschaft und Tourismus in einem Ausmaß verändern, wie wir es uns nicht vorstellen können? Ist unser Bildungssystem auf all dies vorbereitet? Wollen wirklich so viele Millionen Menschen Afrika verlassen?

Es sind grundlegende Fragen, die Menschen im wohlhabenden Europa heute umtreiben. Trotz guter Wirtschaftsdaten haben sie Angst - Angst vor einer ungewissen Zukunft. Darauf geben die Parteien samt und sonders zu wenige Antworten. Auf manche Frage kann eine österreichische Partei, die sich zur Wahl stellt, auch keine Antwort haben. Die Lösungen liegen weit außerhalb der österreichischen "Kleinstaaterei", wie es Bundespräsident Alexander Van der Bellen genannt hat. Auch das sollte im Wahlkampf zur Sprache kommen. Nicht auf alles eine Antwort zu haben, wäre ehrlich. Den Wählern gegenüber, aber auch sich selbst gegenüber. Denn am Ende glauben heimische Politiker wirklich, sie könnten Österreich von der Welt entkoppeln. Und das wäre fatal. Die "Insel der Seligen" hat es nie in dieser Dimension gegeben, aber 2017 gibt es sie - trotz des Wohlstandes des Landes - überhaupt nicht mehr. Der einzige Trost ist, dass dies für jeden anderen Staat genauso gilt.