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Das Ende der Inflation

Von Ronald Schönhuber

Leitartikel

Der Arbeitsauftrag für die neue Spitze der Fed ist derselbe wie für die alte. Neben der Konjunktur und dem Arbeitsmarkt muss die US-Notenbank vor allem die Preisstabilität im Auge haben. Auf der einen Seite muss sichergestellt werden, dass die Preise nicht über Gebühr steigen, weil dann Vermögen entwertet würde. Auf der anderen Seite gilt es, eine Deflation zu verhindern, weil dann Unternehmen und Konsumenten in der Hoffnung auf weiter fallende Preise Investitions- und Kaufentscheidungen aufschieben und damit eine Lähmung der Konjunktur bewirken würden.

Um das Deflationsgespenst zu verscheuchen, wurde in den vergangenen Jahren unglaublich viel Geld in die Hand genommen. Monat für Monat pumpten die Notenbanker in den USA, in Europa und in Japan dreistellige Milliardenbeträge in den Geldkreislauf. Die Inflation zog trotz dieser enormen Anstrengungen aber nur zögerlich an. Das hat viel mit dem Absturz des Ölpreises zu tun, der heute mit knapp 60 Dollar immer nur noch bei knapp einem Drittel der Höchststände vor Beginn der Finanzkrise liegt.

Doch es gibt auch noch eine weitere Dimension, die sich noch dazu weitgehend der Gestaltung durch die Notenbanker entzieht. Denn dass die Preise zuletzt kaum gestiegen sind, ist auch das Resultat der Globalisierung und des technischen Fortschritts. So kommen etwa immer mehr Billigprodukte aus Billig- und Schwellenländern auf den Weltmarkt, wodurch die Teuerung spürbar gedämpft wird. Ebenso sind die Wertschöpfungsketten heute ganz andere als früher. Die neuesten Filme werden vielfach nicht mehr in den großen Elektrosupermärkten auf DVD gekauft, sondern gestreamt. Zwischenhändler oder Transportdienstleister, die diese Produkte früher teurer gemacht haben, fallen weg. Auch bei Uber, Amazon und AirBnB hat der direkte Kontakt mit dem Endverbraucher dazu geführt, dass vieles billiger statt teurer geworden ist.

Und längst ist Geld auch nicht mehr das einzig relevante Zahlungsmittel. Denn Facebook-Nutzer zum Beispiel bezahlen vor allem mit ihren Daten und potenzieller Aufmerksamkeit für Werbung.

Für die Notenbanker bedeutet das alles aber nicht nur eine enorme Herausforderung, sondern in letzter Konsequenz auch einen Paradigmenwechsel. Denn auch wenn sie sich noch sträuben, wird auf lange Sicht wohl kein Weg daran vorbeiführen, dass die Zentralbanken niedrigere Teuerungsraten akzeptieren.