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Neue Bescheidenheit

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Bescheidenheit ist eine Zier, so lautet der Anfang einer alten Volksweisheit, die dann jedoch zum Schluss kommt, dass man ohne sie weiter komme. Zumindest in diesem einen Punkt ist die neue Regierung fest entschlossen, dem Volk nicht aufs Maul zu schauen. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wollen, ganz im Gegenteil, überschießende Erwartungen an die schwarz-blaue Koalition möglichst wieder einfangen. Das zielt nicht zuletzt auch darauf, die vielfach geäußerten Ängste aus dem Ausland aufzufangen.

Evolution statt Revolution, lautet das Motto, an dem sich die Regierung messen lassen will. Demonstrativ verzichten Kurz und Strache auf jeden Bruch mit den bisherigen Traditionen der Zweiten Republik. In der Europapolitik, beim Umgang mit der Sozialpartnerschaft und den Kammern, bei der Sozialversicherung, in der Sicherheitspolitik, bei den Themen Integration und Migration, in der Bildungs-, Standort- und Steuerpolitik, ja sogar beim Ausbau der direkten Demokratie: Wohin man auch blickt, stets zielen ÖVP und FPÖ auf kleine Schritte, statt das Bestehende über den Hafen und auf seinen Trümmern etwas ganz Neues zu bauen.

Strache, der künftige Vizekanzler, formulierte die Strategie so: "Unzählige kleine Schritte in die richtige Richtung, nur dann kommt man auch auf den Berggipfel." Und man wisse durchaus, dass "wir keine Zauberer" sind. Größte Neuerung: Das vielmalige Versprechen eines neuen, partnerschaftlichen Stils zwischen den neuen Partnern, die in der Vergangenheit nicht immer friktionsfrei miteinander auskamen.

Inhaltlich bewegt sich das Regierungsprogramm im Mainstream des politischen Mitte-rechts-Spektrums. Etliches davon hat schon die alte, rot-schwarze Koalition eingeleitet, gerade in den Fragen der Integration und Zuwanderung. Jetzt wird der eingeschlagene Weg eben noch ein weiteres Mal verschärft.

Das Überraschendste an der neuen Regierung ist die große Zahl politisch wenig beziehungsweise unerfahrener Minister in den Reihen der ÖVP. Die FPÖ verlässt sich dagegen auf ein eingespieltes Team, Regierungserfahrung ist allerdings für die gesamte Partei unbekanntes Territorium. Umso wichtiger wird es, dass alle Neuen ein professionelles und erfahrenes Kabinett zur Seite steht.

Mit unpopulären und schmerzhaften Veränderungen wird sich die neue Koalition in den ersten Monaten noch zurückhalten. Zwar werden diese zweifellos notwendig, wenn ÖVP und FPÖ ihr Ziel erreichen wollen, die Steuerlast spürbar zu senken, ohne neue Steuern einzuführen. Doch in den ersten vier Monaten 2018 warten vier wichtige Landtagswahlen: in Niederösterreich, in Tirol, in Kärnten und in Salzburg. Dann wird sich wohl auch das ändern.