Zum Hauptinhalt springen

Profiteure im Kampf um Wien

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
0

Manche Gräben in der österreichischen Politik sind sogar älter als die Parteien und die Republik. Der Kampf um und gegen Wien ist ein solch hartnäckiges Beispiel zäher Langlebigkeit.

Es begann mit dem Widerstand der Provinzen gegen das Herrschaftszentrum. Dieser Konflikt ist universell und hat nichts Österreich-Typisches. Das änderte sich, als er im 19. Jahrhundert politisch-kulturell aufgeladen wurde. Am Ende standen die mehrheitlich schwarzen Länder gegen das rote Wien. In der Ersten Republik floss dabei sogar Blut.

In der Zweiten Republik ist Gewalt keine politische Kategorie mehr. Und lange Zeit hatte es sogar den Anschein, als sei auch die Frontstellung Wiens gegen den Rest nur noch eine Erinnerung an eine ferne Ära. Doch das änderte sich, als sich zu Beginn des neuen Jahrtausends die Wiener SPÖ als Speerspitze des Widerstands gegen die Schwarz-Blau positionierte. Die Rendite konnte sich sehen lassen: Gleich zweimal, 2001 und 2005, gelang es der Wiener SPÖ, mit dem Kampf gegen den Bund die Absolute zu erobern. Vor allem die FPÖ musste dabei als Verlierer das Feld räumen, für die Wiener ÖVP fielen allenfalls marginale Zuwächse ab.

Nun schicken sich die Parteien erneut an, diese Konfrontation aufleben zu lassen. Für die SPÖ ist das naheliegend: Da für die Dauer der neuen Koalition die SPÖ in der Opposition ist, rückt sie Wien als ihre letzte Hochburg ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung. 2020 steht laut Wahlkalender deshalb die nächste Schlacht um Wien an.

Mit der Bundesregierung als Gegner wird es der Rathaus-SPÖ sehr viel leichter gelingen, die internen Gräben zu schließen, wenn endlich geklärt ist, wer Michael Häupl beerben wird.

Die FPÖ - nimmt man die jüngsten Aussagen ihres neuen Klubobmann und ehemaligen Vizebürgermeisters zum Maßstab - scheint gewillt, dieses Duell rhetorisch weiter eskalieren zu lassen. Wien könnte jener politische Marktplatz für die FPÖ sein, auf dem sie weiter auf ihre alte Politik setzt, während sie sich im Bund ein weiteres Mal neu erfindet.

Unabhängig davon, ob diese Doppelstrategie 2020 Früchte tragen wird, könnte sie Neo-Kanzler Sebastian Kurz vor ein Dilemma stellen.

Er hätte dann nicht nur eine FPÖ als Partner, sondern zwei: eine gemäßigte und eine verbal-radikale. Ständig äußern müsste er sich zu beiden.