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Rechnung für Milchmädchen

Von Martyna Czarnowska

Leitartikel
Martyna Czarnowska

Die Briten wollten es, und den Österreichern gefiel es auch gleich: Bevor das Königreich über seinen EU-Austritt abstimmte, machte es mit der Gemeinschaft einen Deal. Die Vereinbarung sah unter anderem die Möglichkeit vor, die Kinderbeihilfe für EU-Bürger zu beschränken, wenn die Kinder im Ausland leben. Andere Länder - wie eben Österreich - zeigten sich an einer solchen Regelung ebenfalls interessiert. Diese wurde aber hinfällig, weil die Insel für den Brexit votierte.

Deswegen wurde auch rechtlich nie überprüft, ob eine solche Anpassung überhaupt mit den EU-Vorschriften vereinbar wäre. Die Frage stellt sich nun in der aktuellen Debatte, die die österreichische Regierung mit der alten Idee neu entfacht hat. Beantworten könnten sie die Gerichte, zuerst die nationalen, dann der Europäische Gerichtshof - allerdings erst, wenn es einen konkreten Fall dazu gäbe. Zuerst müsste die Regelung aber in Kraft treten, damit jemand dagegen klagen könnte.

Die EU-Kommission hat dennoch bereits eine Meinung dazu: Sie hat so ein Vorhaben abgelehnt. Der EuGH hat sich ebenfalls mit der Thematik befasst - schon 1986, als die französischen Behörden einem italienischen Arbeitnehmer die Kinderbeihilfe gekürzt haben. Die Argumentation war beide Male ähnlich: Es habe der Grundsatz der Gleichbehandlung zu gelten.

Dahinter steckt ein fundamentales Prinzip der Europäischen Union: Wer dort lebt und die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedslandes besitzt, darf sich im gesamten EU-Raum bewegen, niederlassen und arbeiten. Und wer in einem EU-Staat Steuern zahlt und zum Sozialversicherungssystem beiträgt, hat Anspruch auf die Leistungen, die dieses System bereitstellt. Ob der Pass des Arbeitnehmers ein österreichischer, deutscher, slowakischer oder rumänischer ist, sollte dabei keine Rolle spielen.

Skeptiker führen dann an, dass das Geld aus der Familienbeihilfe ins Ausland fließt, wenn die Kinder in der Slowakei oder Rumänien leben. Es würde aber ebenso ins Ausland fließen, wenn eine österreichische Familie in Italien Urlaub macht und nicht in Vorarlberg. Auch aus einem anderen Grund könnte sich eine Anpassung als Milchmädchenrechnung erweisen: Die Slowaken und Rumänen könnten ihre Kinder nach Österreich holen. Für deren Schulbildung müssten dann auch Mittel aufgebracht werden.