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Recht auf Polemik

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Als "Arbeiterverrat" bezeichnet SPÖ-Geschäftsführer Max Lercher die Zustimmung der FPÖ zu einer neuen, erweiterten Liste von Mangelberufen, da dadurch 150.000 ausländische Arbeitnehmer aus EU-Drittstaaten den Druck auf heimische Arbeitskräfte erhöhen würden. Die SPÖ spiegelt in ihrer neuen Rolle als Opposition genau jene Form der politischen Sprache, mit der die FPÖ zur Arbeiterpartei aufstieg.

Man kann darüber streiten, ob das aus Sicht der SPÖ der Weisheit letzter Schluss ist: Was sie an Stimmen von der FPÖ zurückholt, droht sie an Grüne oder Neos zu verlieren.

Natürlich hat die Wortwahl Lerchers zu einer Debatte über die Gefahren eines leichtfertigen Umgangs mit Sprache in der Politik geführt. Oft ist es die FPÖ, die den Anlass liefert, in diesem Fall muss sich die SPÖ den Vorwurf gefallen lassen, mit blauten Mitteln rote Ziele zu verfolgen; die ÖVP wird dafür schon seit dem Amtsantritt von Sebastian Kurz gescholten; und auch Grüne und Neos verletzen die ungeschriebenen Regeln der gesitteten Rhetorik.

So gesehen hatte es schon seine Berechtigung, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen vergangenen Freitag zu einem verantwortungsvollen Umgang der Parteien mit der Sprache aufrief. Innenminister Herbert Kickl hatte zuvor davon gesprochen, Flüchtlinge "konzentriert" an einem Ort zu halten, was von vielen, unter anderem dem Staatsoberhaupt, als Anspielung auf NS-Diktion verstanden wurde.

Trotzdem müssen scharfe Worte in der demokratischen Politik möglich bleiben. Polemik ist zweifellos dazu angetan, die Gefühle der Kritisierten zu verletzen. Aber sie ist zugleich auch ein unverzichtbares Mittel, um politischen Anliegen jenes Gehör zu verschaffen, das sie nach Ansicht ihrer Vertreter verdienen (und wer sonst sollte darüber im Einzelfall richten?).

Die politische Sprache darf nicht kastriert werden. Viel zu viele Politiker haben eine Kunst daraus gemacht, auf eine klare Frage eine nichtssagende Antwort zu geben. Zudem buhlen unzählige Konkurrenten um die knapp bemessene Aufmerksamkeit der Bürger. Pointierte Formulierungen sind da Mittel zum Zweck.

Und wenn tatsächlich einmal Grenzen überschritten werden, ist eben eine Entschuldigung fällig. Da sollte keinem Politiker ein Zacken aus der Krone fallen - und die Konkurrenz nicht routinemäßig den Rücktritt fordern.