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Ein folgenschweres Urteil

Von Konstanze Walther

Leitartikel
Konstanze Walther ist "Außenpolitik"-Redakteurin der Wiener Zeitung.
© Luiza Puiu

Zwei Jahre durchtauchen hieß es für viele linksorientierte Brasilianer. So dachten sie nach der Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff im Sommer 2016. Ihr konservativer Vize Michel Temer sägte nach Jahrzehnten als Steigbügelhalter für die Arbeiterpartei an Rousseffs Ast und wurde schließlich Nummer eins.

Temer wusste, sein Projekt Eitelkeit würde von kurzer Dauer sein - er kann nur bis zu den nächsten Wahlen 2018 durchhalten. Denn Temer hat kein Fünkchen Charisma. Und das braucht es in Brasilien - das fünftgrößte Land der Welt wählt Personen statt Parteien. Bis auf die Arbeiterpartei gibt es keine Fraktion mit einer Ideologie, wie wir sie in Europa kennen. Die restlichen Bündnisse sind zwar historisch gewachsen, aber zusammengewürfelte Ansammlungen von verschiedenen Personen, aus deren Gemeinsamkeit - ein Immobiliendeal, ein Geheimnis, ein Bundesstaat oder eine Kirche - eine Partei geworden ist. Deren Programme gleichen sich: Freunde gewinnen, an die Macht kommen.

Zweifellos ist auch die Arbeiterpartei in Skandale verstrickt. Bei den Mitbewerbern sieht es aber nicht besser aus. Über Vorwürfe der Korruption kann sich daher kaum noch ein Brasilianer ereifern. Dagegen hat die Arbeiterpartei zumindest viele Brasilianer aus der Armut geholt. Ein Grund, weshalb Ex-Präsident Lula da Silva (2003 bis 2010 an der Macht) sich immer noch großer Beliebtheit erfreut.

Am Mittwoch verkündet ein Richter, ob Lula weiterhin wegen Korruption verurteilt ist. Diesfalls darf Lula bei den Wahlen nicht antreten. Beobachter fürchten dann Ausschreitungen. Der Traum der Linken der vergangenen zwei Jahre würde zerplatzen wie eine Seifenblase. Denn sie haben keine personelle Alternative.

Und das Land würde dann wohl jenen rechtskonservativen Politiker wählen, der in den Umfragen die Nummer zwei ist. Sie nennen ihn den Donald Trump Brasiliens. Weil er mit gezielt kampflustigen Sagern die Zwietracht sät, Law und Order verspricht und bei brasilianischen Machos für Schenkelklopfer sorgt. Frauen müssen demnach hübsch genug für eine Vergewaltigung sein. Und wieso nicht die Folter in der Militärdiktatur loben? Wenn Jair Bolsonaro gewählt wird, brechen für Minderheiten und Andersdenkende düstere Zeiten an. Und das in einem Land, das Buntheit und Vielfalt zu einem Markenzeichen erhoben hatte.