Zum Hauptinhalt springen

Nur ein Tor

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle

Im Sport, und im Fußball noch ein bisschen mehr, spiegelten sich nicht nur schon immer die gesellschaftlichen Entwicklungen jeder Zeit; wer will, kann hier auch die dazugehörenden Deformationen erkennen. Und das, obwohl die soeben zu Ende gegangene Wintertransferzeit im europäischen Klubfußball nicht einmal für neue Superlative gesorgt hat. Der ganz normale Wahnsinn genügt vollkommen.

Die absurden Geldsummen, die im Spiel sind, sind dabei das geringste Problem. Die Milliarden, die derzeit scheinbar unerschöpflich aus den Ölscheichtümern, aus Russland und Fernost sprudeln, werden auch wieder versiegen. Sehr viel nachhaltiger werden die neuen Normen und Werte nachwirken, die sich unter dem Eindruck des Geldregens als gesellschafts- und geschäftsfähig durchgesetzt haben.

Dass sich die Machtverhältnisse zwischen Klubs und Spielern, also zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in ihr Gegenteil verkehrt haben, ist nur auf den ersten Blick ein emanzipatorischer Sieg. Wenn Verträge unter Gleichen zu wertlosem Papier werden und Spieler einen Vereinswechsel durch Streik erzwingen können, stärkt das nur das Recht der Allerstärksten. Den Preis dafür berappen andere, ungleich Schwächere weil eigentlich noch Kinder, und eher nicht in Manchester, London, Paris oder Madrid und Barcelona, sondern in Fußballschulen in Afrika, Südamerika und Fernost.

Über die Menschenfreundlichkeit dieses Systems lässt sich trefflich streiten. Wo, außer im Milliardenbusiness Fußball, können sich, nahezu unabhängig von Herkunft und Vermögen, nur dank eigenem Talent, Fleiß und einer Prise Glück die Türen zu Reichtum und globaler Prominenz öffnen? Und wer es geschafft hat, wirkt dann natürlich auch brav an den diversen gemeinnützigen Kampagnen des eigenen Geschäftsmodells mit. Reichtum, auch obszöner, verpflichtet.

Die weniger glamourösen Seiten unserer Gesellschaft haben in dieser Selbstvermarktungsstrategie natürlich keinen Platz mehr. Ebenso, wie sich der profitorientierte Fußball in seinen Stadien der sich prügelnden Hooligans entledigt, entledigt er sich auch seiner Anbindung an eine gesellschaftliche Realität vor seiner eigenen Haustür. Wer will schon die Menschen einer Region, wenn er die ganze Welt erobern kann?

Nur ein Tor. Und damit ist nicht das Eckige gemeint, in welches das Runde muss.