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Digitalisierung lernen

Von Martina Madner

Leitartikel
Martina Madner ist Redakteurin im Ressort Österreich.
© Wiener Zeitung, Thomas Seifert

Sie ist keine gemütlich durch die Landschaft schnaufende Dampflok. Sie ist ein TGV, AVE oder ICE, also ein Schnellzug, der mit 300 Stundenkilometer dahinrauscht: die Digitalisierung. Sie verändert Wirtschaft und Arbeitswelt mit weit größerer Geschwindigkeit als alle anderen Revolutionen davor. So schnell, dass weder Politik noch Unternehmen oder deren Mitarbeiter viel Zeit haben, Sicherungssysteme, Geschäftsmodelle und Arbeitsprozesse neu zu gestalten - dabei muss genau das passieren, um von der Digitalisierung zu profitieren.

Trotzdem sind manche auf dem Bahnsteig stehen geblieben und haben den Zug an sich vorbeirasen lassen. Das ist aber nur für jene das probate Mittel, die sich in ganz naher Zukunft aus ihrem Geschäft oder der Arbeit zurückziehen wollen und können. Andere versuchen, dem Schellzug mit der Draisine, also ungeeigneten Mitteln, hinterherzuhecheln. Es gibt zwar auch jene, die im Zugabteil mitfahren, also auf einem guten Weg sind, um mitzuhalten. Die Gruppe jener, die auf den Gleisen stehen und den Zug auf sich zurasen sehen - manche darunter sogar mit kleinem hilflosem Stoppschild in der Hand -, ist aber immer noch zu groß. Dabei muss es das Ziel sein, vorn im Führerstand des Digitalisierungszugs zu sitzen, den Weg zu gestalten, zumindest aber die richtigen Weichen zu stellen.

Damit das gelingt, muss man an vielen Rädern zugleich zu drehen: Es braucht neue Infrastruktur (Stichwort: Breitband-Ausbau). Es braucht Innovation (Stichwort: Accelerators, also Start-up-Förderung). Es braucht Reformen in der Ausbildung (Stichwort: Nachwuchs). All das könnte in Österreich zwar intensiver und schneller laufen, aber immerhin: Es läuft. Damit alle von der Digitalisierung profitieren, braucht es aber mehr - und zwar lebenslanges Lernen, praxisnah in Firmen, in gemischten Teams, wo digitales und Branchenwissen zusammenkommen, mit der Möglichkeit von "trial and error". Damit Weiterbildung nicht nur zwischen den Jobs beim AMS, sondern laufend stattfindet, gilt es Arbeitszeit und -welt neu zu gestalten. Denn es sind die 30-, 40-, aber auch 50-Jährigen in den Betrieben, quer durch alle Qualifikations- und Hierarchieebenen hinweg, die sie brauchen, um in der digitalen Welt neue Chancen entdecken und entwickeln zu können. Und den Schaden, der entsteht, wenn der Digitalisierungszug über uns hinwegbraust, will sich sicher keiner leisten.