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Nie aufgeben

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

"Deshalb schaut zu den Sternen und nicht hinab auf Eure Füße. (...) Seid neugierig, und wie schwer auch immer das Leben scheinen mag, so gibt es doch immer etwas, das ihr tun und worin ihr erfolgreich sein könnt. Es kommt darauf an, nicht aufzugeben."

Das ist die Botschaft, mit der der Weltenerklärer Stephen Hawking Abschied nahm. Artikuliert, weil Sprechen konnte er schon lange nicht mehr, hat der Physiker die Sätze anlässlich seines 75. Geburtstages im vergangenen Jahr, aber sie schienen ihm offensichtlich passend als Vermächtnis und Anleitung für ein gelungenes, für ein gelingendes Leben.

Das ist für sich genommen schon ein großes Ziel. Dem Menschen Hawking scheint dies geglückt zu sein, jedenfalls hat er diesen Eindruck bis zuletzt vermittelt (aber Sicherheit gibt es in dieser Frage für Außenstehende nie); und das hat natürlich mit seinen herausragenden wissenschaftlichen Leistungen zu tun, aber eben nicht nur, und vielleicht sogar nicht einmal zuvorderst.

Hawking litt an einer unheilbaren Krankheit, der die Mediziner den Namen amyotrophe Lateralsklerose (ALS) gegeben haben, und sie führt zu zerstörten Nerven und fortschreitender Muskellähmung. Die Betroffenen können sich im Verlauf der Erkrankung nicht mehr bewegen, sie haben Schwierigkeiten beim Schlucken, Sprechen und Atmen. Die meisten betroffenen Menschen sterben innerhalb weniger Jahre, nur eine Minderheit übersteht ein Jahrzehnt. Hawking hat ein halbes Jahrhundert den Verlauf der zerstörerischen Krankheit mit seinem schieren Willen
bekämpft.

Diese Leistung und die Bilder, die in unseren Köpfen von diesem Kampf für ein selbstbestimmtes Leben entstanden sind, haben mit großer Wahrscheinlichkeit mehr für die Unantastbarkeit der Würde des Menschen in seiner ganzen Gebrechlichkeit geleistet als noch so viele gut gemeinte Appelle und Kampagnen. Ähnlich wie Papst Johannes Paul II., der über Jahre sein eigenes Sterben vor aller Augen inszenierte, hat auch Hawking unserer Gesellschaft die Gewissheit vermittelt, dass auch in einem schwachen Körper ein großer Geist stecken kann. In einer Zeit, die so viel in ein makeloses Äußeres investiert, steht diese Leistung ebenbürtig neben seiner wissenschaftlichen.

Hawkings hatte dank seiner Brillanz das Glück, diesen Kampf um Selbstbestimmung nicht auf sich allein gestellt bestehen zu müssen. Helfer, darunter auch Technikkonzerne, die nach neuen Hilfsmitteln forschten, leisteten ihren Beitrag, dass ein Genie auch tatsächlich genial sein konnte. Das Glück dieser Rahmenbedingungen hat nicht jeder Behinderte. Unsere Gesellschaft sollte es sich trotzdem zur Aufgabe machen.