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Verbrannte Erde

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Anlässlich der Sondersitzung des Nationalrats zur Causa des Bundesamts für Verfassungsschutz war am Montag viel von Vertrauen die Rede. Vor allem die Opposition führte den Verlust dieses Grundgefühls der menschlichen Verfasstheit in eminente staatliche Institutionen im Mund, um das Verhalten der nunmehrigen Regierungspartei FPÖ in der Affäre zu geißeln. Der Innenminister, den seine Kritiker als "Verunsicherungsminister" brandmarkten, wischte diesen Vorwurf mit dem Hinweis auf "Raubersgeschichten" vom Tisch.

Es ist anzunehmen, dass die montäglichen Attacken und Gegenangriffe eher nicht dazu beigetragen haben, ein womöglich ramponiertes Vertrauen wieder herzustellen. Zu viele seltsame Zufälle, zu viele offene Fragen stellen sich rund um die Vorgänge im BVT. Und Sondersitzungen des Nationalrats folgen ohnehin in den allermeisten Fällen einem anderen Ziel als der nüchternen Aufklärung von uneindeutigen Sachverhalten.

Dieses Vertrauen, dessen Verlust jetzt so viele beklagen, ist ein mächtiges Wort, dessen Kern im bewussten Verzicht auf letztes, also gesichertes Wissen besteht. Ohne Vertrauen ist jede soziale wie institutionelle Ordnung in ihrer Existenz gefährdet, weil aus Misstrauen alle ohne Unterlass alles wissen wollen. Diese Unsicherheit, diese permanente Suche nach Gewissheit überfordert uns, als Einzelne wie als Masse. Aber weil der Eindruck besteht, Informationen wären im Überfluss vorhanden, sind wir versucht, auf gesichertem Wissen zu beharren statt einfach zu vertrauen.

Eigentlich müsste man vermuten, es liege im ureigensten Interesse aller politischen Parteien, die Institutionen des Staats und der Politik nach Möglichkeit aus der allgemeinen Welle des Misstrauens herauszuhalten. Eigentlich. Denn tatsächlich ist in Österreich jede politische Partei bereit, in Sachen Vertrauen verbrannte Erde zu hinterlassen, wenn sie nur fest genug davon überzeugt ist, dass sie dadurch einen zumindest relativen Vorteil für sich ergattern kann. Diese allzeitige Bereitschaft zur Selbstbeschädigung sucht ihresgleichen.

Die Parteien kommen damit durch, weil es ihnen (und ihren Unterstützern) gelingt, den Verlust des Vertrauens mit ihrer je eigenen Moral zu übertünchen, deren Anhänger darauf vertrauen, dass die Gegner immer unrecht haben. Das funktioniert dann wiederum so lange, bis die eigenen moralischen Ansprüche Bankrott anmelden müssen. Und das tun sie unweigerlich früher oder später in Zeiten moralischer Übersteigerung selbst banaler Streitthemen.

Die Causa BVT wird also Thema eines Untersuchungsausschusses. Gut so. Noch wichtiger ist, was aus dem verlorenen Vertrauen wird.