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Die wichtigste Frage ist offen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Kommenden Mittwoch begeht die Koalition ihr 100-Tage-Jubiläum. Dass es bis zu dieser Wegmarke eine Schonfrist gebe, mag einmal gewesen sein. Heute gilt: Pardon wird weder gewährt noch darum gebeten. Das passt gut in unsere Zeit. Für eine erste Bilanz über die neue Konstellation taugt die 100-Tage-Grenze aber allemal.

Das Augenmerk dabei nur auf die Regierung zu legen, ist zwar eine beliebte, aber zu enge Perspektive. Neue Mehrheiten sind immer auch ein Hinweis auf Verschiebungen in der politischen Tektonik der Republik. Und dass ÖVP und FPÖ bis dato keine Bäume ausgerissen haben, wurde bei der Debatte ums Budget zur Genüge kommentiert.

Die Bundesregierung wurde am 18. Dezember in fast amikaler Atmosphäre von einem Bundespräsidenten angelobt, der große Teile seiner Wähler mit seiner kritischen Haltung zur FPÖ überzeugt hatte. Das im Vorfeld aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz sowie Heinz-Christian Strache hat bisher gehalten. Dass trotzdem eine gesunde Distanz zwischen den beiden Seiten des Ballhausplatzes besteht, ist ein Zugewinn an politischer Kultur.

Distanz lautet auch das Stichwort, wenn es um die Rolle der Medien geht. Im Wahlkampf teilten sich auch die meisten Medien in zwei Lager. Dieses Grundmuster gilt noch immer, dabei dominieren Abneigungen vor Sympathiebekundungen. Die Pflege von politischen Feindschaften kann fast als roter Faden für die Mediengeschichte der vergangenen Jahrzehnte gelten. So gesehen trifft die Regierung an der Medienfront auf ein vertrautes Muster.

Massiv verschoben hat sich dagegen das föderale Kräftegleichgewicht. Bei Amtsantritt ließen sich die politisch starken Landeshauptleute an wenigen Fingern einer Hand abzählen, seitdem haben drei Landtagswahlen drei strahlende Sieger hervorgebracht - und eine vierte folgt im April. Grundsätzliche Korrekturen an bundesstaatlichen Jenseitigkeiten sind damit nicht unmöglich, aber sicher nicht leichter geworden.

Dass nicht nur die FPÖ in der Regierung neu ist, sondern auch die SPÖ in der Opposition, ist unübersehbar - und zudem eine Bestätigung all jener, die immer schon gehofft haben, dass Politik nicht ohne Können auskommt.

Auf die alles entscheidende Frage aber, nämlich die nach dem weiteren Kurs der FPÖ, gibt es nach 100 Tagen noch keine zuverlässige Antwort. Werden die NS-Liederbücher und Burschenschafter-Einzelfälle zu einem Selbstreinigungsprozess führen? Wäre sie dann eine ganz normale rechtspopulistische Bewegung? Und wie würde sich dadurch die politischen Tektonik der Republik verändern? Oder werden Strache & Co daran scheitern, wie einst Jörg Haider beim gleichen Unterfangen gescheitert ist?