Zum Hauptinhalt springen

Kalter Krieg 2.0

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Der Handelskrieg der USA gegen der Rest Welt spitzt sich zu und könnte einige österreichische Branchen hart treffen. Dort die bösen Amerikaner, hier die guten Europäer - ganz so einfach ist es dann doch nicht.


Wien. Künftig vielleicht doch lieber Senf statt Ketchup? Birkenstock statt Nike? Scotch statt Bourbon? Sollte sich der Handelskrieg der USA gegen den Rest der Welt weiter zuspitzen, werden all diese Dinge auch in Österreich teurer. Fast wöchentlich kündigen die USA neue Zölle auf Waren aus der EU und aus China an. Und ebenfalls fast wöchentlich kontern China und die EU mit Gegenmaßnahmen.

Je nach Eskalationsgrad könnten sechs Prozent des Welthandels oder 850 Milliarden Euro betroffen davon sein. In Österreich würde sich der volkswirtschaftliche Schaden zwar in Grenzen halten. Die neue Zollpolitik der USA würde einzelne Branchen aber durchaus hart treffen. Aber der Reihe nach.

Am 23. März haben die USA zusätzliche Zölle in der Höhe von 25 Prozent auf eine Reihe von Stahlerzeugnissen und zehn Prozent auf Aluminium eingeführt. Die EU konterte ihrerseits im Juni mit Ausgleichsmaßnahmen und belegte US-Waren im Umfang von 2,8 Milliarden Euro mit Zöllen. Darunter fallen Motorräder, Zucker, Bekleidung. Gestern, Freitag, sind zudem EU-Schutzmaßnahmen auf Stahl in Kraft getreten, um den hiesigen Markt quasi vor unerwünschten Nebenwirkungen der Stahl-Zölle zu schützen.

Zusätzlich plant US-Präsident Donald Trump Einfuhrbeschränkungen auf europäische Autos und KFZ-Erzeugnisse. Im Gespräch sind Zölle in der Höhe von 20 bis 25 Prozent. Das soll vor allem Deutschland hart treffen. Aber auch die heimische Zulieferindustrie hat wenig Freude damit.

"Wir betrachten diese Entwicklung schon mit großer Sorge", sagt Susanne Schrott von der Abteilung für Handelspolitik in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Die USA sind Österreichs zweitwichtigster Handelspartner. Im Vorjahr haben heimische Betriebe Waren und Dienstleistungen im Wert von fast zehn Milliarden Euro dorthin exportiert. Das ist ein Plus von 10,7 Prozent gegenüber 2016. Umgekehrt hat Österreich im Umfang von rund 5,8 Milliarden Euro aus den Staaten importiert.

250 Millionen Euro Schaden

Rund fünf Prozent der heimischen Stahlerzeugnisse gehen in die USA. Von den Strafzöllen betroffen sind damit Stahl- und Aluminiumprodukte im Wert von 500 Millionen Euro. Etwas härter dürften die Zölle auf KFZ-Erzeugnisse die heimischen Zulieferer treffen. Laut WKÖ ist der Fahrzeugbereich der zweitgrößte Exportbereich Österreichs. 90 Prozent der hier produzierten Güter gehen direkt in den Export. Nach Europa sind die Vereinigten Staaten mit einem Direktexportanteil von neun Prozent der wichtigste Absatzmarkt österreichischer automotiver Produkte.

Die heimische Fahrzeugindustrie beschäftigt 35.000 Menschen. Rechnet man noch Zulieferbetriebe und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche dazu, hängt jeder neunte Arbeitsplatz direkt oder indirekt an dieser Branche. Sollte Deutschland künftig weniger Autos in die USA exportieren, würde das die Branche vermutlich nicht ruinieren, aber einzelne Betriebe durchaus hart treffen.

Kommende Woche reist EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in die USA, um mit Trump Handelsgespräche zu führen. Dass diese aus Sicht der europäischen Wirtschaft besonders erfolgreich sein werden, glauben Beobachter aber nicht.

Auch der Handelskrieg zwischen China und den USA könnte unangenehme Folgen für österreichische Firmen haben. Zur Erinnerung: Am 15. Juni verhängten die USA Einfuhrbeschränkungen für chinesische Produkte im Wert von 50 Milliarden US-Doller; darunter Maschinen, Elektronik. China antwortete prompt mit Gegenzöllen im gleichen Ausmaß und verzollt nun auch landwirtschaftliche und Luftfahrtprodukte aus den USA höher. "Das hat natürlich Auswirkungen auf alle heinischen Firmen, die in China produzieren und in die USA exportieren und umgekehrt", meint Schrott.

Glaubt man den Worten Trumps, dann soll das nur der Anfang des "größten Handelskriegs der Menschheitsgeschichte" sein. Der Gesamtwert von mit US-Zöllen belegten chinesischen Waren könnte sich gar auf 550 Milliarden Dollar belaufen.

Sollten die USA weiterhin auf Protektionismus setzen und die angekündigten Schutzzölle einführen, könnte das die heimische Wirtschaft im Ausmaß von 250 Millionen Euro oder 0,07 Prozent des Bruttoinlandprodukts treffen. Das zeigen Berechnungen der Ökonomen Gabriel Felbermayr und Marina Steininger in ihrer Studie "Was kostet der US-Protektionismus Österreich und die EU?". Deutschland wäre übrigens doppelt so hart von einer weiteren Zuspitzung betroffen. In den USA könnten ob der Vergeltungsmaßnahmen sogar drei Prozent des BIP einbrechen.

Frage der Perspektive

Hier die guten liberalen Europäer und dort die bösen protektionistischen USA - ganz so einfach lässt sich das Bild nicht zeichnen. Berechnungen des Münchner IFO-Instituts zufolge weist die EU einen Protektionsmusgrad von 5,2 Prozent auf; die USA lediglich 3,5 Prozent. "Wir schützen unsere Güter viel stärker als die USA", sagt Christian Helmenstein, Chef-Ökonom der Industriellenvereinigung. Die EU hebt schon länger Schutzzölle auf chinesischen Stahl ein, um die hiesige Industrie vor staatlich subventioniertem, billigem Stahl zu schützen.

"Die EU agiert scheinheilig", meint David Walch von der globalisierungskritischen NGO Attack. "Wo es die eigenen Konzerne trifft, ist es schlecht, wenn es schützt, ist es gut." So viel Einklang herrscht zwischen Industrie-Vertretern und dem Globalisierungskritikern sonst nie. Trumps Handeln habe aus Sicht der US-Industrie durchaus Sinn, meinen beide. Die Strafzölle, die jetzt auf Stahl- und Aluminiumimporte eingehoben werden, verschaffen der US-Stahlindustrie vermutlich ein spürbares Absatzplus.

Dennoch können Schutzzölle und Gegenzölle auf lange Sicht nicht die Lösung des Problems sein, meint Helmenstein. Er spricht sich für eine transatlantische, zollfreie Handelszone aus, eine Art TTIP-light. Davon würden beide Seiten profitieren.

Dass mehr Freihandel die bessere Alternative zum Handelskrieg ist, dem widerspricht Walch. Die Globalisierung habe nicht nur Gewinner hervorgebracht. Und viele der Verlierer hätten Trump auch mit dem Auftrag für mehr Protektionismus gewählt. "Es braucht eine Entideologisierung der Frage, ob Zölle gut oder schlecht sind."

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass die USA Schutzzölle für Stahlimporte einführen. Zwischen 2002 und 2004 haben die Staaten unter dem ehemaligen Präsidenten George W. Bush schon einmal Stahlimporte mit Zöllen in der Höhe von 8 bis 30 Prozent belegt. Abgeschafft wurden sie erst nach einem Streitbeilegungsverfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO), das die Zölle für nichtvereinbar mit dem WTO-Regelwerk befand. Die EU möchte nun wieder gegen die USA bei der WTO-Beschwerde einlegen.