Russland und der Westen befinden sich in einem neuen Kalten Krieg - das lässt sich spätestens nach der Welle an Ausweisungen russischer Bürger und Diplomaten aus den USA und 14 EU-Staaten sagen. Provoziert wurde diese diplomatische Antwort der USA und der EU durch den heimtückischen Anschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter Yulia im englischen Salisbury. Dabei wurde - soweit bisher bekannt - Novichok, ein hochtoxischer Nervenkampfstoff russischer Provenienz, eingesetzt.

Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
- © WZDie Gesprächsbasis zwischen Moskau einerseits und den europäischen Hauptstädten, Washington sowie Ottawa andererseits ist nun so gut wie zerstört, das Klima zwischen Wladimir Putins Russland und dem Westen ist so schlecht wie schon lange nicht mehr.
Dabei hat der Kalte Krieg Version 2.0 (© John Schindler, Ex-Analyst beim US-Nachrichtendienst NSA) nicht erst gestern begonnen: Russland war nach einer Phase relativ guter Beziehungen zum Westen über die völkerrechtswidrige Nato-Intervention im Kosovo im März 1999 erzürnt. Die erste Nato-Osterweiterungswelle im selben Jahr verärgerte die Kreml-Strategen, und Moskau fühlte sich von Washington mit der Irak-Invasion im Jahr 2003 und der zweiten Nato-Erweiterungswelle im Jahr 2004 hintergangen. Die pro-westlichen Revolutionen in Georgien und der Ukraine taten das Übrige. Wichtigste Teile des postsowjetischen Raums entglitten der Kontrolle des Kreml - worauf dieser mit einer völkerrechtswidrigen Militärintervention in Georgien im Jahr 2008 und der ebenfalls völkerrechtswidrigen Annexion der Krim reagierte. Den Osten der Ukraine überzog der Kreml mithilfe von moskautreuen Handlangern mit Krieg, und im Nahen Osten unterstützte Präsident Putin den syrischen Machthaber Bashar al-Assad.
Zugleich üben sich die Tschekisten - so nennt man Geheimdienstler, wie Putin selber einer war - seit einigen Jahren in Destabilisierungsversuchen des Westens und betreiben eine Delegitimierungskampagne der liberalen Demokratie: Das Instrumentarium reicht von dubiosen Kontakten zu nationalchauvinistischen und rechtsextremen Parteien in Europa bis zu Desinformations- und Manipulationskampagnen in der EU und den USA. Und schließlich korrumpiert das Geld von Kreml-hörigen Oligarchen westliche Banker, Rechtsanwälte, Geschäftsleute und Politiker.
In diesem hybriden Kalten Krieg gibt es - anders als in der Zeit von 1945 bis 1991 - keine Regeln mehr, und wo es dem Kreml im Kalten Krieg Version 1.0 zumindest vorgeblich darum ging, eine Systemalternative zum Westen anzubieten, geht es ihm diesmal nicht mehr um Ideologie, sondern um nichts anderes als blanke Macht und schnöden Mammon.