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Sie können auch anders

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Eines der größeren Missverständnisse unter Demokraten ist die Vermutung, das Ausmaß an politischen Gemeinsamkeiten entscheide über die Wahrscheinlichkeit von Koalitionen. Mitunter mag das stimmen, mindestens ebenso oft geben aber taktische Überlegungen den Ausschlag.

Und dann gibt es da ja auch noch die unberechenbarste Variable überhaupt, die zwischenmenschliche Chemie. Die hat sogar dazu geführt, dass ein roter Wahlsieger der schwarzen Nummer zwei den Landeshauptmann überlassen hat. Einfach so, aus Vertrauen und Freundschaft. Das klingt wie eine Meldung aus längst vergangener Zeit, ereignete sich aber vor drei Jahren hinter dem Semmering.

Das war zweifellos ein politischer Akt von Selbstverleugnung und Nächstenliebe, der sich so schnell nicht noch einmal wiederholen wird. Schon gar nicht auf Bundesebene, wo das Klima zwischen SPÖ und ÖVP spätestens mit der Übernahme der Volkspartei durch Sebastian Kurz gegen den Gefrierpunkt sank, um dann mit Türkis-Blau noch darunter abzufallen. Man geht kein großes Risiko ein, wenn man darauf wettet, dass Kurz und Christian Kern in diesem Leben nicht noch einmal zusammenfinden.

Aber Parteien sind verlässlich, mehr als die Männer (seltener: Frauen), die an ihrer Spitze stehen. Fast könnte man glauben, die Neutralität der Republik sei auch in ihre DNA eingegangen, weshalb sie unbedingt nicht nur die Gesprächskanäle zu, sondern auch die Paktfähigkeit mit der Konkurrenz offen halten. Und wenn an der Spitze persönliche Befindlichkeiten dominieren, dann halt auf anderen Ebenen.

Am Mittwoch paktierte in Kärnten die gestärkte SPÖ eine Koalition mit der ÖVP. Theoretisch wäre auch eine Mehrheit mit den Abgeordneten eines Ex-SPÖ-Politikers möglich gewesen, aber der neue und alte Landeshauptmann Peter Kaiser entschied sich für die im Süden marode Landesfiliale der Türkisen; noch weniger Not hatte Niederösterreichs Johanna Mikl-Leitner, die trotz verteidigter Absoluter mit der SPÖ (und FPÖ) ein Arbeitsübereinkommen schnürte; und vom neuen Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig wird erzählt, dass er lieber heute als morgen die Grünen gegen die Stadt-ÖVP tauschen würde.

Die FPÖ weiß nur zu gut, dass es sich dabei um einen türkisen Wink mit dem Zaunpfahl handelt, zumal die verbliebenen Schwarzen, etwa in Tirol, Vorarlberg und demnächst vielleicht auch in Salzburg, auf die Grünen setzen. In Kärnten klagen die Blauen schon jetzt über einen "rot-schwarzen Oppositionskurs gegen die türkis-blaue Regierung".

Die Folgen für die Koalition im Bund sind vorerst trotzdem überschaubar. Heinz-Christian Strache wird die Botschaft trotzdem verstehen; und anders als die ÖVP hat er derzeit keinen Plan B.