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Ein Verbot, das helfen soll

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Auf dem Papier und in der Theorie ist es ein Leichtes, Politik aus einem Guss zu formulieren, wo abstrakte Prinzipien verlässlich zur konkreten Tat gerinnen. Ohne Ausnahmen und Sonderbestimmungen, ohne Hinsichtl und Rücksichtl. In der Praxis führt das sehr viel öfter, als uns, gemessen an unserem hehren Selbstbild, lieb sein kann, verlässlich zum Scheitern. Einfach weil die allermeisten Gesetze darauf abzielen, konkrete Missstände zu reparieren, und eher nicht die Gesellschaft auf völlig neue Grundlagen stellen wollen.

Auch das Vorhaben der Bundesregierung, ein Kopftuchverbot für Kindergarten und Volksschule zu erlassen, ist so ein Reparaturversuch. Jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass der Absicht auch ein zwar beschränktes, aber doch real existierendes Problem zugrunde liegt und es sich nicht um symbolisch aufgeladene Ablenkungspolitik handelt. Die Islamische Glaubensgemeinschaft unterstellt genau dies; dass die Opposition dagegen das Ansinnen nicht rundweg ablehnt, sondern über eine Umsetzung verhandeln will, für die es einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat bedarf, stärkt eher die Position der Koalition.

Ganz offensichtlich besteht sehr wohl ein breites Unbehagen über eine Auslegung des Islams, die sogar kleinen Mädchen das Tragen eines Kopftuchs auferlegen will, obwohl es hierzu keine von den religiösen Autoritäten ausgegebene Verpflichtung gibt.

Aber was ist mit den Beikeles, den Schläfenlocken der jüdischen Knaben, was mit dem Patka, der Kopfbedeckung der jungen Sikhs, was mit all den christlichen Zeichen, die sich in unzähligen Klassenzimmern dieses Landes befinden? Warum will der Staat das eine verbieten und das andere tolerieren, fragen die Kritiker, die auf eine absolute Gleichbehandlung aller religiösen Symbole pochen.

Diese Ungleichbehandlung stürzt jedes Gemeinwesen, das sich auf die Idee des liberalen Rechtsstaats beruft, in ein Dilemma.

Es lässt sich allerdings auflösen, zumindest abschwächen. Immerhin hat das Kopftuchverbot zum Ziel, die Lebenschancen unmündiger muslimischer Mädchen wenigstens im öffentlichen Raum von Kindergärten und Schulen zu wahren und zu erhöhen.

In erster Linie handelt es sich beim Kopftuchverbot aber natürlich um einen symbolischen Akt in einer größeren Auseinandersetzung mit einem als Bedrohung für unseren Lebensstil empfundenen islamischen Fundamentalismus.

Der Erfolg wird davon abhängen, ob es gelingt, dieses Verbot nicht als Schikane einer Minderheit seitens der Mehrheit zu inszenieren, sondern als ein - mit leichtem Druck versehenes - Angebot zur (Selbst-)Hilfe. Tatsächlich kann es nur ein Mosaikstein sein, der eingebettet werden muss in eine Politik, die Grenzen und Unterstützung bietet.