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Anderes Problem gelöst

Von Alexander U. Mathé

Leitartikel
Alexander U. Mathé ist Redakteur im Wien-Ressort.

Ein Alkoholverbot am Wiener Praterstern ist die falsche Lösung für das falsche Problem. Es wird der Eindruck vermittelt, das Problem wären Menschen, die unter Alkoholeinfluss kriminell würden. Wer sich aber vor Ort umsieht, wird schnell bemerken, dass es hauptsächlich Obdachlose sind, die versuchen, sich mit Promille in eine schönere Welt zu katapultieren. Außer um Geld gebeten zu werden, hat man von ihnen nicht viel zu befürchten. Auch die Arbeiter und Studenten, die im Venediger-Au-Park ihr Bier zischten, haben nicht zu einem Unsicherheitsgefühl beigetragen. Das Problem sind vielmehr die Jugendbanden, die am Praterstern ihr Unwesen treiben. Bei ihnen steht nicht ein möglicher Alkoholkonsum im Fokus, sondern Prügeleien, Messerstechereien, Vergewaltigungen und Drogen. Gewaltbereite Jugendliche kommen bereits mit Messer zum Praterstern. Sie kaufen sich nicht erst eines, nachdem sie eine gewisse Menge Alkohol konsumiert haben. Auch den Dealern wird es nicht um Alkohol gehen, sondern um Geld. Die von den Behörden gelieferte Statistik wiederum ist nichtssagend. Laut dieser wurden in den vergangenen drei Monaten 50 Personen festgenommen, die auch alkoholisiert waren. Wie viele Menschen in dieser Zeit insgesamt festgenommen wurden, dazu sind aber erstaunlicherweise keine Zahlen verfügbar. Offen bleibt auch, ob diese 50 tatsächlich eine Straftat begangen haben. Das eigentliche Problem der gewaltbereiten Jugendlichen und die Aufgabe, diese auf einen besseren Pfad zu führen, wird durch ein Alkoholverbot nicht angesprochen.

Die richtige Lösung ist das Verbot hingegen, will man auf politischer Ebene das Profil in Sachen Recht und Ordnung schärfen. So wird auch gleich den Wiener Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ der Wind aus den Segeln genommen. Absurderweise könnte das Alkoholverbot trotz allem beruhigend wirken. Dann nämlich, wenn entgegen den Beteuerungen rigoros kontrolliert wird, noch dazu gezielt bei Personen, die suspekt erscheinen. Denn so gut wie jeder kann am Praterstern künftig auf Alkoholverdacht hin gefilzt werden. Mit dieser Zermürbungstaktik - und ohne Alkoholverbot - hat man seinerzeit die Drogenszene am Karlsplatz aufgelöst: Laufen sie ständig Gefahr kontrolliert zu werden, suchen sich Dealer, Süchtige und Raufbolde bald ein anderes Plätzchen. Darin liegt eine andere Unzulänglichkeit der Aktion Praterstern: Die Probleme werden bloß verlagert; erwartungsgemäß hin zu Gegenden, die vorher keinen Kontakt mit dieser Szene hatten. So sind seit der "Säuberung" des Karlsplatzes neue Hotspots entstanden, etwa auf der Linie U6 von der Josefstadt bis nach Mariahilf, am Handelskai - und am Praterstern.