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Gespräch über Österreich

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Es sind Reden, die den bisherigen Verlauf des Gedenkjahres 2018 bestimmen. Den Auftakt machte André Heller, Jahrgang 1947, der zum 80. Jahrestag des 12. März 1938, des "Anschlusses" Österreichs an Nazi-Deutschland, die Festrede hielt. Sodann folgte der Schriftsteller Michael Köhlmeier, Jahrgang 1949, der am 4. Mai beim Gedenktag zur Befreiung des KZ Mauthausen das Wort ergriff. Und nun, zum "Tag der Befreiung" der Holocaust-Überlebende, Maler und Sänger Arik Brauer, Jahrgang 1929.
(Die posthume Abrechnung des Kärntner Autors Josef Winkler mit Jörg Haider anlässlich 500 Jahren Klagenfurt läuft hier außer Konkurrenz.)

Es ist unvermeidlich, diese Reden nicht als Gespräch der Redner miteinander zu hören, als Rede und Gegenrede zu verstehen. Die Themen und der zeitliche Zusammenfall lassen uns Zuhörern fast gar nichts anderes zu.

Hellers roter Faden war die Demut der Nachgeborenen in der Selbsteinschätzung darüber, wie sie selbst wohl anstelle der Väter und Großväter gehandelt hätten. Und aus der Sicherheit der heutigen Generation vor Verfolgung und Unterdrückung leitete er die umso größere Verpflichtung ab, überall und zu jeder Zeit gegen Rassismus und Antisemitismus entschieden aufzutreten.

Während Heller auf Auf- und Abrechnungen verzichtete und im Generellen blieb, nahm sich Köhlmeier selbst in die Verantwortung, im Gedenken an das, was in der Vergangenheit alles möglich war, Klartext für die Gegenwart zu reden. Und er machte dabei deutlich, dass es aus seiner Sicht bei diesem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus kein "Wir" in diesem Land gibt, sondern dass der Gegner in Gestalt der FPÖ mitten unter seinen Zuhörern, ja sogar in der Regierung sitzt.

Diese Spaltung in die Guten und die Bösen, diesen Keil durch das Land, wollte am Dienstag der 89-jährige Zeitzeuge Brauer nicht unwidersprochen stehen lassen. Er zeigte Verständnis dafür, dass die meisten Menschen den Sieg der Alliierten 1945 als Niederlage und nicht als Befreiung erlebt hatten, obwohl der 8. Mai für ihn persönlich genau das war: der Tag der Befreiung. Und der lebenskluge Brauer mahnte dazu, die damals gewonnene Freiheit und Demokratie zu hegen und zu pflegen und keineswegs nur im eigenen Land. So kompliziert und nervig das mitunter auch sein möge.

Schließlich erinnerte der 89-Jährige die Regierung mit verschmitztem Lächeln daran, dass es zu ihrem Job gehöre, "mit Geduld und mit Freude die Kritik und Kontrolle der Öffentlichkeit zu ertragen - je mehr, desto besser".

Am Abend war dann der KZ-Überlebende Rudi Gelbard, Jahrgang 1930, an der Reihe, auf dem Heldenplatz dieses Gespräch über Österreich fortzusetzen.