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Iran vs. Israel - ein Albtraum

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Die Eskalation im Syrien-Konflikt war vorhersehbar: Schon seit einiger Zeit fechten Israel und der Iran einen Schattenkrieg auf syrischem Territorium aus. Doch nach dem Ausstieg von US-Präsident Donald Trump aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran hat sich die Eskalationsspirale eine Drehung weiter hochgeschraubt. Schon am Dienstag - nur Stunden nach Trumps Aufkündigung des Atomdeals - bombardierte Israel eine iranische Militärbasis in Syrien. Am Donnerstag, kurz nach Mitternacht, schlug der Iran zurück: Iranische Einheiten haben offenbar erstmals Raketen direkt auf Armeepositionen auf den von Israel besetzten Golan-Höhen abgefeuert. Woraufhin israelische Luftstreitkräfte mit einem massiven Bombardement auf iranische Stützpunkte in Syrien antworteten - und zwar kurz nach der Rückkehr von Israels Premier Benjamin Netanjahu aus Moskau. Die Luftangriffe auf syrischem Gebiet waren offenbar die heftigsten seit dem Oktober-Krieg von 1973.

Nach diesem ersten Schlagabtausch droht nun ein direkter Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Der Iran ist ja seit der völkerrechtswidrigen Invasion im Irak im Jahr 2003 durch eine von den USA angeführte westliche Allianz (Polen und Großbritannien waren Teil dieses Bündnisses) in der Region auf dem Vormarsch. So hat der Iran den irakischen Premier Haider al-Abadi und dessen schiitische Al-Haschd asch-Schabi-Milizen im Kampf gegen den IS unterstützt. Und das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad wäre wohl ohne Unterstützung durch Teheran längst kollabiert.

Dass Israel es nie zulassen würde, dass sich iranische Kräfte im Nachbarland Syrien festsetzen, daraus hat Premier Netanjahu nie einen Hehl gemacht. Wird nun der Iran die von ihm unterstützte libanesische Schiitenmiliz Hisbollah gegen Israel in Stellung bringen? Oder wird die ebenfalls vom Iran unterstützte im Gaza-Streifen beheimatete Palästinensermiliz Hamas losschlagen? Damit würde das Krebsgeschwür Syrien-Krieg weiter metastasieren. Die umstrittene Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem am 14. Mai - Trump hat sein Kommen wohlweislich bereits abgesagt - böte diesen militanten Kräften den ersten symbolträchtigen Anlass.

Die jüngsten Entwicklungen sind für Europa, das dringend Stabilität in seiner Nachbarschaft bräuchte, ein Desaster. Trump schlägt die Warnungen der Alliierten aus Paris, Berlin und sogar London vor den Konsequenzen der Aufkündigung des Atomdeals einfach in den Wind, und Netanjahu berät sich lieber mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau als mit den Europäern, bevor er seine Bomber aufsteigen lässt. Es wird Zeit, dass die EU außenpolitisch endlich wieder handlungsfähig wird.