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Provozieren reicht nicht

Von Anja Stegmaier

Leitartikel
Anja Stegmaier ist Redakteurin im Ressort Außenpolitik.
© Luiza Puiu

EU-kritisch, populistisch, ausländerfeindlich, unberechenbar. Die sich formierende Regierung in Italien aus der rechten Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung ist die Albtraumkombination für die Europäische Union. Italien ist auch nicht irgendein kleines Sorgenland, das mit eingen Bauchschmerzen an der Hand genommen werden kann. Das Mittelmeerland war einer der drei Gründerstaaten der vor mehr als 65 Jahren ins Leben gerufenen Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Und es ist nach wie vor, trotz wirtschaftlicher Misslage, die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Wochenlang haben die EU-Partner gewartet: Emmanuel Macron hat seine ambitionierten EU-Pläne zurückgestellt, die Europäische Zentralbank würde gerne die Niedrigzinspolitik beenden. Nun kommt aber kaum Freude über diese Regierung Italiens auf.

Zwar hat das Land weniger Bedeutung für den politischen Kurs in der EU - das lassen sich Angela Merkel und Macron sowieso ungern abnehmen -, war aber doch immer ein verlässlicher Partner. Dessen kann sich Brüssel nun nicht mehr so sicher sein. Italien drohe die Insolvenz und könnte zum zweiten Griechenland werden, lautet die Sorge. Dabei geht es nicht nur um die wiederholt im Land laut werdenden Forderungen nach einem Euro-Austritt, auch wenn diese Pläne von den Koalitionspartnern in spe nun dementiert werden. Die geplante Reformumkehr und der Anstieg der öffentlichen Ausgaben durch die neue Regierung würden alles andere als Schuldenabbau bedeuten. Im Gegenteil: Die Pläne haben keinen Finanzierungsplan und werden die Staatsschulden weiter in die Höhe treiben. Die dringenden strukturellen Reformen, die das Land braucht, hat keine Partei im Wahlkampf thematisiert. Denn damit lassen sich keine Wahlen gewinnen, wie Matteo Renzi bereits mit seinem Referendum schmerzlich zu spüren bekam. Und trotzdem verspricht Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio einen "Wandel" für Italien. Seit der Einführung des Euros ist Italien das Land in der Eurozone, dessen Wirtschaft am wenigsten wächst. Italien muss sein Wachstumsmodell aktualisieren. Gründete dieses zu Zeiten der Lira auf Inflation, Staatsschulden und Abwertung, so ist das in einer Währungsunion schlicht nicht mehr möglich.

Die finanzpolitischen Pläne der populistischen Koalition beunruhigen zu Recht. Italien muss glaubwürdige Vorschläge bringen, wie es seine Staatsschulden in Ordnung bringt, um mit Frankreich und Deutschland wieder eine tragende Rolle in der EU einzunehmen. Der Part des armen Bittstellers oder des lauten Provokateurs wird nichts nutzen. Dafür wird das verschuldete Italien höchstens die Rute ins Fenster gestellt bekommen.