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Empörungsmaterial

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Wenn man es sich einfach machen will, dann hängt alles mit allem zusammen. Aus dieser im politischen Feuilleton - oder in der feuilletonisierenden Politik? - beliebten Perspektive kann es kein Zufall sein, dass rechtzeitig zum weltweiten Flüchtlingstag bekannt wird, dass zum ersten Mal das globale Vermögen der US-Dollar-Millionäre die Summe von 60 Billionen Euro überschritten hat (allerdings ohne Schulden zu berücksichtigen). In Österreich stieg die Zahl der Dollar-Millionäre übrigens um 13 Prozent auf 149.800.

Neue Rekorde kann auch die UNO vermelden: Die Zahl der Flüchtlinge stieg 2017 um 2,9 Millionen auf 25,4 Millionen Menschen. Insgesamt waren damit 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht, berichtet das Flüchtlingshochkommissariat.

Wer nach Belegen dafür sucht, dass in unserer Welt so einiges aus dem Ruder gelaufen ist, wird bei der Gegenüberstellung solcher Statistiken mit Empörungsenergie reich beschenkt. Und wer dann noch in Betracht zieht, dass gut 85 Prozent aller Flüchtlinge, die in der Regel selbst aus Dritte-Welt-Staaten stammen, von anderen Dritte-Welt-Staaten aufgenommen (oder jedenfalls nicht vertrieben) werden, kann mit gutem Grund zum Schluss kommen, dass sich die EU-Staaten ihre diesbezügliche Überforderung nur einbilden.

Und trotzdem wird der kommende Woche stattfindende EU-Gipfel über die Einrichtung von Flüchtlingszentren in Afrika beraten, in denen zwischen Asylberechtigten und anderen Migranten unterschieden werden soll. Man kann davon ausgehen, dass solche Asylzentren außerhalb der Europäischen Union kommen werden. Der politische Druck in diese Richtung ist mittlerweile überwältigend. Wer dann nach dem Buchstaben der Gesetze einen Anspruch auf Asyl hat, darf in die EU samt anschließendem Familiennachzug; wer keinen hat, muss den von den EU-Staaten aufgestellten Kriterien der ökonomischen Nützlichkeit entsprechen, um Zugang in die Europäische Union zu erhalten.

Diese sich abzeichnende Lösung der Migrationsfrage ist für die EU günstig und teuer zugleich. Günstig, weil sie hilft, politische Stabilität und sozialen Frieden in den am meisten belasteten EU-Staaten zu sichern. Teuer, weil sich die Staaten auf der südlichen Seite des Mittelmeers, die für die Einrichtung solcher Asylzentren in Frage kommen, ihre Nützlichkeit wohlfeil vergüten lassen werden. Denn indem die EU solche Standorte in Afrika errichtet, übernimmt sie auch weitreichende Verantwortung für die gesamte Region: nicht nur militärisch, sondern auch politisch und wirtschaftlich in einem weit umfangreicheren Ausmaß, als dies bisher der Fall ist. Es hat stets einen Preis, Reichtum und Wohlstand bewahren zu wollen.